Duale Ausbildung – raus aus der Deckung!

Duale Ausbildung – raus aus der Deckung!

-Die Frage nach der Zukunftsfähigkeit-

Gastbeitrag von Prof. Dr. Christoph Beck

Prof. Dr. Christoph Beck
Prof. Dr. Christoph Beck.

Für die einen ist es „nur“ die duale Ausbildung, für die anderen ist es einer der strategischen Erfolgsfaktoren der Zukunft schlechthin. Wenn für das Jahr 2025 (gem. der Kultusministerkonferenz 2013) 148.000 weniger Schulabsolventen prognostiziert werden und mit Blick auf das Jahr 2030 (gem. Bundesministerium für Arbeit und Soziales (2015)) die Anzahl an Menschen mit Hochschulabschluss um rund 3 Mio. steigen und die mit Berufsausbildung um 200.000 sinken wird, lohnt es sich schon einmal genauer hinzuschauen. Aber was heißt das genau? Gem. der DGFP-Studie 2015 rechnen in den nächsten 3 Jahren 89% der befragten Unternehmen damit, dass sie Probleme bei der Rekrutierung geeigneter Auszubildenden haben werden. Ohne an dieser Stelle sich im Detail zu verlieren ist dies ein Ausdruck der vielerorts bekannten und diskutierten Besetzungs-, Versorgungs- und Passungsprobleme, selbstverständlich nach Branche, Region und Unternehmen wieder sehr unterschiedlich. Nun könnte man hierbei verharren und die Ursachen und mögliche Lösungswege aufzeigen, was aber auch „nur“ wieder eine Teil-Facette der wirklichen Problematik darstellt. Die übergeordnete Frage lautet aber: „Ist die duale Ausbildung Stand heute überhaupt zukunftsfähig?“ Und hier gilt es möglichst schnell Antworten zu finden, und zwar auf gesellschaftlicher, bildungspolitischer und unternehmenspolitischer Ebene gleichermaßen. Auf der einen Seite beteuern nicht wenige Eltern das gute Image der dualen Ausbildung, während Sie gleichermaßen ihren eigenen Kindern das Studium empfehlen. Gleiches gilt für die eigene Peer-Group. Kaum hat sie sich an einer Hochschule eingeschrieben wird davon gesprochen, dass einige aus ihrem Jahrgang nur eine Ausbildung machen. Auf der anderen Seite fordern und fördern Unternehmen und Bildungspolitik das duale Studium, um gleichzeitig aber auch die Durchlässigkeit von Bildungsbiographien und eine mögliche Gleichwertigkeit zu diskutieren. Viele dieser Bestrebungen sind ehrenwert und viele dieser Diskussionen sind notwendig. Aber die Antwort auf eine Frage ist heute wichtiger als jemals zuvor, und zwar: „Welchen Stellenwert hat die duale Ausbildung künftig in den Unternehmen? Eine anscheinend banale Frage, die wie selbstverständlich, fast tautologisch und politisch korrekt mit einem hohen Stellenwert beantwortet wird. Wenn dem so ist, dann geht es zunächst nämlich um eine Haltung und eine Denkweise, die der dualen Ausbildung eine strategische Dimension zuordnet. Es geht dabei nämlich weniger darum Auszubildende zu rekrutieren und auszubilden, sondern darum, den Fachabteilungen in drei Jahren hervorragend ausgebildete Fachkräfte zur Verfügung zu stellen. Damit dies jedoch gelingt wäre die Antwort auf die Frage der Personalabteilungen, welche Fachkräfte in drei, vier und fünf Jahren wirklich gebraucht werden, notwendig. Hier steht HR aber meist doch relativ alleine dar und erhält nur in wenigen Ausnahmefällen eine Antwort. Schade eigentlich, denn wie notwendig wäre es und wird es künftig noch mehr sein.

Die duale Ausbildung wirkt zeitversetzt, d.h. um den Fachabteilungen in vier Jahren gut ausgebildete Fachkräfte bereitstellen zu können, muss das Ausbildungsmarketing heute schon die Ausbildungsberufe (die morgen gebraucht werden) bewerben und das Recruiting die richtigen Kandidaten auswählen und einstellen. Um diese Frage nach dem quantitativen und qualitativen Personalbedarf jedoch beantworten zu können, bedarf es einer klaren Unternehmensstrategie, einem weitgehend klaren Organisationsmodell und einem Stellenrahmen. Liegt dies nicht vor, werden heute junge Menschen in Berufen ausgebildet, die ggf. in einigen Jahren nicht mehr oder nicht in dem Maße benötigt werden und andere Qualifikationen wird man sehr sehr teuer einkaufen müssen, wenn sie denn überhaupt dann auf dem Arbeitsmarkt verfügbar sind.

Die duale Ausbildung muss, wie der Titel sagt, raus aus der Deckung. Zum einen müssen die unterschiedlichen Zukunftsmodelle der dualen Ausbildung selbst (unternehmens-)öffentlich stärker diskutiert werden, von der Modularisierung der Ausbildung, über die Verzahnung von Aus- Weiter- und Fortbildung, über die Substitution der dualen Ausbildung durch die Bachelor-Abschlüsse oder der dualen Ausbildung in einigen ausgewählten Berufsfeldern, bis hin zur Verbundausbildung und der assistierten Ausbildung. Auf der anderen Seite gilt es jedoch auch die Zukunftsszenarien rundum das Thema Industrie 4.0 (=Arbeitswelt 4.0) mit einzubeziehen. Eine sich so stark verändernde Arbeitswelt, die heutige Humantätigkeiten durch Maschinen substituiert verlangt nach neuen Ausbildungsberufen, nach neuen und anderen Ausbildungsinhalten, nach anderen Lehr- und Lernformen und ggf. nach anderen Kompetenzen wie z.B. das Denken in Zusammenhängen, das Lernen an cyber-physischen Systemen, der Umgang mit und in Netzwerken und mit Komplexität, Dynamik und Unsicherheit u.v.m.

Ein Ansatzpunkt, die duale Ausbildung aus der Deckung zu holen stellt u.a. die Studie Azubi-Recruiting Trends 2016 (u-form Testsysteme gemeinsam mit der Hochschule Koblenz) dar. Als größte Spiegel-Studie, die sowohl Auszubildende, als auch Ausbildungsverantwortliche befragt, liefert sie nicht nur einen wertvollen Beitrag, sondern auch wesentliche Erkenntnisse zu aktuellen Themen der dualen Ausbildung in Deutschland. Hier geht es direkt zum Online-Fragebogen.

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert