Studie: Wechseln oder Bleiben?

Studie „Wechseln oder Bleiben?“: Fachkräftemarkt in Bewegung

Nichts wird aktuell so händeringend gesucht wie Fachkräfte, überall fehlt Personal. Restaurants und Freibäder bleiben geschlossen, Flüge werden gecancelt. Da ist es nicht verwunderlich, dass 57,2 % der Fachkräfte mit Berufsausbildung laut einer aktuellen Studie von meinestadt.de davon überzeugt sind, sich aufgrund der eigenen Qualifikation und Erfahrung den Job aussuchen zu können. Ich habe mit Mark Hoffmann, dem CEO von meinestadt.de, über die sich ändernden Kräfte auf den Jobmärkten und die aktuellen Fachkräfteengpässe auf Basis der lesenswerten Studie „Wechseln oder Bleiben?“ (Download unten) gesprochen.

SAATKORN: Mark, stell dich doch den Saatkorn Leser:innen bitte kurz vor.

Mein Name ist Mark Hoffmann, ich bin CEO von meinestadt.de. Bei meinestadt.de findet ihr lokale Informationen und Angebote rund um Jobs, Immobilien, Auto und Freizeit gebündelt für jeden Ort in Deutschland. Wir bieten das führende Jobportal für Fachkräfte mit Berufsausbildung. Und genau die werden ja aktuell händeringend gesucht. 

Wo sind denn all die Arbeitskräfte hin???

SAATKORN: Du sagst es, der Personalmangel ist im Moment ja überall zu spüren, sei es im Handwerk, in der Gastronomie oder an den Airports. Was ist da gerade los, wo sind all die Mitarbeiter:innen hin?

Ja, Stellen bleiben immer länger unbesetzt. Die Liste der aktuell längsten Vakanzzeiten wird von klassischen Ausbildungsberufen angeführt, allen voran die Altenpflege mit 238 Tagen. Und das hat mehrere Gründe: Zum einen haben sich in der Corona Pandemie viele Menschen in krisenanfälligen Branchen wie etwa der Gastronomie oder der Tourismusbranche umorientiert. Gewinner sind hier insbesondere der Einzelhandel und die Logistikbranche, zu denen die meisten Jobwechsler rüber gewandert sind.

Zum anderen wurde – bedingt durch Corona – nicht neu eingestellt. Auch wenn Pflegekräfte während der Pandemie an Ansehen gewonnen haben, so wurden gleichzeitig die Missstände und die hohe Arbeitsbelastung in diesem Beruf sichtbar und bislang auch kaum durch die Politik verbessert. Keine guten Voraussetzungen, um Fachkräfte für die Pflege zu gewinnen.

Great Resignation auch hier?

SAATKORN: In den USA haben seit der Pandemie über 2 Millionen Menschen ihren Job gekündigt. Wie schätzt du die Wechselfreudigkeit deutscher Arbeitnehmer ein? Droht hier eine ähnliche Fluktuationswelle?

Generell muss man sagen, dass die Bereitschaft, den Job zu wechseln in den USA wesentlich höher ist – das hängt auch mit der Kultur zusammen. Doch wir stellen fest, dass auch hierzulande die Wechselbereitschaft steigt.

Unsere Studie „Wechseln oder Bleiben?“ zeigt: Die Mehrheit der Fachkräfte ist wechselbereit, wenn sie ein attraktives Jobangebot erreicht: 5,1 % sind aktuell aktiv auf Jobsuche, 47,0 % zählen sich zu den passiv Suchenden. Sie schauen nicht aktiv, halten aber die Augen offen und wären wechselbereit, falls sie ein attraktives Jobangebot erreicht. Ein Risiko für Arbeitgeber, die gute Fachkräfte nicht verlieren wollen. 

Wie wichtig ist Purpose?

SAATKORN: Durch die Pandemie haben ja viele Menschen ihren Job in Frage gestellt, vielen ist der Sinn im Job immer wichtiger geworden. Wie sinnvoll finden Fachkräfte ihren Job?

84,7 % der Fachkräfte finden ihren Job sinnvoll, 54,7 % davon sogar sehr sinnvoll. Die Mehrheit der Fachkräfte priorisiert den Sinn der Arbeit auch insgesamt sehr hoch. Für den Großteil der Fachkräfte geht die Arbeit über den reinen Broterwerb hinaus, sie wollen etwas Sinnvolles tun. Dieses Gefühl wurde durch die Pandemie nochmal verstärkt. Wer es als Arbeitgeber schafft, den Unternehmenszweck glaubhaft zu vermitteln, und den ausgeschriebenen Stellen einen „echten Sinn“ verleiht, hat die Chance, sich im Wettbewerb um die Talente abzuheben. Fachkräfte in der Pflege sehen im Branchenvergleich mit Abstand am meisten Sinn in ihrer Arbeit. Auch im Handwerk erleben Fachkräfte ihren Job als besonders sinnvoll.

Welche Faktoren sind für Mitarbeitenden-Bindung relevant?

SAATKORN: Welche weiteren Bindungsfaktoren ziehen bei Fachkräften?

Die wichtigsten Bindungsfaktoren für Fachkräfte sind ganz klar das Vorgesetzenverhalten sowie die Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben. Bei dem Thema Führungskultur ist noch sehr viel Potenzial, insbesondere im Hinblick darauf, welche Eigenschaften und Fähigkeiten Führungskräfte in Zukunft mitbringen sollten. Die Arbeitswelt befindet sich nicht erst seit Corona stark im Wandel. 

Stichwort Vereinbarkeit und Flexibilisierung: Da zwei Drittel der Fachkräfte gar kein Homeoffice machen können, müssen hier häufig andere Wege gefunden werden. Lösungen könnten hier beispielsweise flexiblere Arbeitszeiten, verlässliche Schichtpläne, die Verteilung der Schichten auf mehr Fachkräfte und bessere Kinderbetreuungsmöglichkeiten sein.

Tipps für Unternehmen

SAATKORN: Habt ihr Tipps, wie sich Unternehmen auf die drohende Fluktuationswelle vorbereiten können?

Zum einen geht es darum, gute Fachkräfte zu halten, indem Unternehmen Bindungsfaktoren im Auge behalten und Treiber für mögliche Jobwechsel identifizieren. Wenn Führungskräfte aktiv zuhören, können einige Jobwechsel vermieden werden.

Auf der anderen Seite gilt es, neue gute Leute zu gewinnen. Ein Quick Win ist sicher das Umschalten in den “Überzeugen-Modus” im Rahmen von Bewerbungsprozessen. Unternehmen bewerben sich inzwischen bei Fachkräften – nicht umgekehrt. Das bedeutet für Stellenanzeigen zum Beispiel: kurze Anforderungsprofile, aber lange Angebotsabschnitte („Was wir bieten“). Dazu gehören natürlich auch schnelle Rückmeldungen an die Bewerber:innen und ein angenehmes Klima auf Augenhöhe in den Bewerbungsgesprächen. 

Lösungsansatz Quereinsteiger:innen

SAATKORN: Wo gibt es Potenzial, wo findet man denn heutzutage noch Kandidaten? 

Eine Lösung ist es, gezielt Quereinsteiger:innen zu rekrutieren. Der Weg aus der Gastronomie an die Frischetheke im Einzelhandel ist fachlich nicht weit. Rekrutierende Unternehmen können dies als Chance nutzen und im Recruiting bewusst Quereinsteiger:innen aus benachbarten Branchen ansprechen.

Ein anderer Weg ist die Ansprache von passiv Suchenden: Fast die Hälfte der Fachkräfte, die sich nicht aktiv bewerben, sind mehrheitlich offen für neue Jobs. Hier gilt es, neue Wege zu gehen, um die potenziell Wechselwilligen zu erreichen. Die Ansprache von Fachkräften außerhalb von klassischen Jobportalen und Active Sourcing ist kaum entwickelt, da Fachkräfte in der Regel nicht auf den klassischen Business Netzwerken unterwegs sind. Hier gibt es gute Chancen, als Erster zu punkten.

SAATKORN: Mark, ganz herzlichen Dank für das Interview!

Über die Studie: Wechseln oder Bleiben

Für die Studie “Wechseln oder bleiben” hat meinestadt.de Fachkräfte zu ihrer Wechselbereitschaft, Arbeitgeberbindung und zum Thema Quereinstieg befragt. An der Online-Umfrage, die das Marktforschungsinstitut respondi durchgeführt hat, haben insgesamt 2.000 nicht-akademische Fachkräfte mit Berufsausbildung im Alter von 18 bis 65 Jahren  teilgenommen. 

Kostenloser Download

Das Whitepaper zur „Wechseln oder Bleiben?“ Studie kann man hier kostenlos downloaden. 

Über meinestadt.de

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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

3 Gedanken zu „Studie: Wechseln oder Bleiben?

  • 25. August 2022 um 13:41
    Permalink

    “WECHSELBEREITSCHAFT: eine #Studie von
    @meinestadt_de zeigt: 5,1 % der #Fachkräfte sind aktuell aktiv auf Jobsuche, 47,0 % suchen passiv. Dramatische Zahlen.”

    Was genau soll hier neu oder gar dramatisch sein? Außer die Widersprüche, die in allen Studien zum Thema HR und Recruiting seit 20 Jahren auftauchen. 🙂

    “84,7 % der Fachkräfte finden ihren Job sinnvoll, 54,7 % davon sogar sehr sinnvoll. Die Mehrheit der Fachkräfte priorisiert den Sinn der Arbeit auch insgesamt sehr hoch.”

    Antwort
    • 25. August 2022 um 13:55
      Permalink

      Danke für Dein Feedback. Die Einschätzung liegt halt im Auge des Betrachters. Eine potenzielle Wechselbereitschaft von > 50% finde ich aus Arbeitgebersicht schon dramatisch, vor allem vor dem Hintergrund der Marktentwicklung. Sind aber nur meine 5 Cent, kann man sicherlich auch anders sehen. 😉 Sehe auch keinen Widerspruch zum Thema Sinn. Meiner Meinung nach würden die meisten Menschen (bei ähnlichem Gehalt) ja nicht in einen subjektiv weniger sinnvoll empfundenen Job wechseln. Das Eine hat mE mit dem Anderen wenig zu tun.

      Antwort
      • 25. August 2022 um 17:17
        Permalink

        Wenn man sich die Gallup Studien der letzten 10 Jahre anschaut, dann könnte
        man ähnliche Zahlen vermuten.

        Wenn 84% ihren Job sinnvoll finden ist das doch prima. Von den 84% sollen ca. 50% den Arbeitgeber wechseln wollen? Versteh ich nicht 🙂

        Beste Grüße

        Antwort

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