Robindro Ullah zur Zukunft von Recruiting

Vor wenigen Tagen habe ich auf der Zukunft Personal zum Thema „Digitalisierung des Recruitings“ gesprochen. Einige der dort erwähnten Aspekte – Matching, Cultural Fit und Kompetenzen – spielen heute auf saatkorn. ebenfalls eine Rolle. Ich hatte Gelegenheit, Robindro Ullah mal etwas intensiver zu seinen Gedanken rund umd die Zukunft des Recruitings zu befragen. Auf geht’s:

Robindro Ullah zur Zukunft von Recruiting

saatkorn.: Auch wenn Dich vermutlich 98% der saatkorn. LeserInnen kennen dürften, stell Dich doch bitte für die anderen 2% nochmal vor.
Robindro Ullah
Mein Name ist Robindro Ullah. Seit 2007 treibe ich mich im HR Dschungel rum. Als Mathematiker war ich 2005 ursprünglich bei der Deutschen Bahn als Trainee im Yieldmanagement eingestiegen, bevor ich dann ins HR Management rutschte. In den vergangenen Jahren hatte ich schon mehrere Funktionen im HR inne, die sich meist mit dem Thema Recruiting befassten. Heute bin ich leidenschaftlicher HRler, Blogger, Buchautor und böser Berater.

saatkorn.: Nachdem Du ja viele Jahre auf Unternehmensseite gewechselt bist, hast Du Anfang 2015 den Schritt ins Dienstleisterleben gewagt. Wie fühlt sich das an? Gibt es aus Deiner Sicht große Unterschiede?
Jetzt nach zwei Monaten fühlt es sich immer noch gewöhnungsbedürftig an. Die Ketten eines Konzerns einfach so fallen zu lassen, ist gar nicht so einfach wie ich dachte. Als Konzerngewächs hatte ich doch die eine oder andere Barriere verinnerlicht, die heute für mich eigentlich nicht mehr existiert, und dennoch von mir berücksichtigt wird. Was ebenfalls neu für mich ist, sind die Geschwindigkeiten, die hier draußen herrschen. An manchen Tagen fühle ich mich wie das Hammy Eichhörnchen aus “ Over the Hedge”, nach dem Genuss eines Energy Drinks. Aus der Perspektive eines Dienstleisters läuft doch vieles in Zeitlupe ab.
Insgesamt hat sich für mich die HR Welt um 180 Grad gedreht und ich bin wirklich froh auch diese Seite einmal kennenzulernen.

saatkorn.: Eines Deiner Fokusthemen bei der DEBA ist nun der Zertifikatslehrgang „Recruiter Next Generation“. Wer kann da was lernen?
Den Kurs haben wir so angelegt, dass wir mit den Teilnehmern an die Grenzen des modernen Recruitings stoßen. Der Kurs ist in 4 Modulen á zwei Tagen organisiert. Um die Grenzen überhaupt austesten zu können, haben wir stets auch kleine Basic Phasen zur Wiederholung oder für neue Recruiter zum Einstieg eingebaut. Darüber hinaus lernt man bei uns, diese Grenzen, die man entdeckt, auch zu überschreiten.

Das gesamte Programm haben wir derart gestaltet, dass es sowohl für KMU als auch für Konzerne interessant ist. Es geht nicht darum, eine Reihe von Best Practices über sich ergehen zu lassen, sondern richtig etwas zu lernen. Damit der Gedanke der Ausbildung unterstrichen wird, haben wir als Kooperationspartner die ZHAW School of Management and Law aus Zürich gewinnen können. Ich denke, da wird deutlich, dass es uns darum geht, etwas neues und vor allem Mehrwert stiftendes auf die Beine zu stellen.

Inhaltlich orientiert sich der Kurs an dem “Praxishandbuch Recruiting”, welches ich mit Michael Witt zusammen geschrieben habe. Wir gehen den Recruitingprozess von A-Z durch und während das Buch stets die Basics mit Ausblicken beleuchtet, gehen wir richtig in die Tiefe. Schließlich wollen wir Experten von morgen ausbilden. Wir decken also Bereiche wie Sourcing oder Online Reputation Management ab. Aber ebenso betrachten wir die Bereiche der Stellenausschreibungen, Bewerbermanagementsoftware, Job Aggregatoren und nicht zu vergessen die Welt der Kennzahlen. Personalmarketing ist auch Bestandteil des Kurses. In all diesen Bereichen gehen wir stets bis an die Grenze und darüber hinaus.
Zielgruppe ist daher nicht nur die Riege der Nachwuchsrecruiter sondern durchaus auch die Erfahreneren. Das detaillierte Programm kann man sich HIER  herunterladen.

saatkorn.: Wie weit sind Deiner Meinung nach die Unternehmen in Deutschland noch vom „Recruiter Next Generation“ entfernt? – Es ist ja nicht nur eine Wissens- sondern vor allen Dingen auch eine Kulturfrage. Wie schätzt Du das ein: bewegen sich die Unternehmen?
Zunächst einmal denke ich, dass die Unternehmen in Deutschland im Bezug auf den RNG noch einen richtig weiten Weg zurücklegen müssen. Klar existieren die Ausnahmen, die verstanden haben, dass Recruiting sich zu einem höchst komplexen Berufsfeld entwickelt hat. Aber Deutschland besteht nicht nur aus Ausnahmen – ganz im Gegenteil. Die recht aktuelle Diskussion um die Candidate experience zeigt im Grunde wie professionel deutsche Unternehmen das Thema Recruiting tatsächlich angehen. Ich habe gerade mein zweites Buch beendet (Erfolgsfaktor Candidate Experience, November 2015) gemeinsam mit Maité Ullah, für welches wir 10 zufällig ausgewählte Bewerber aus verschiedenen Branchen mit unterschiedlichen Berufsbildern ausführlich interviewt haben. Das Ergebnis war deutlich: professionelles Recruiting sieht anders aus. Die Geschichten, die uns da berichtet wurden, deuten auf erhebliche Mängel im Recruitingprozess.

Modernes Recruiting ist eine Mischung aus mittlerweile sehr viel Wissen, Kultur und Einstellung. Der Recruiter braucht deutlich mehr Know-How als noch vor wenigen Jahren und die Einstellung eines Vertriebsmitarbeiters. Das Unternehmen benötigt eine entsprechende „Recruiting-Kultur/ Willkommens-Kultur“. Ich denke, einige Recruiter können ein Lied davon singen, welche Priorität Recruiting in Ihrem Unternehmen hat. Da hat man die Top Besetzung für eine Stelle gefunden und der/die Kandidat(in) möchte unterschreiben, aber dann mahlen erst einmal die Konzernmühlen und zack ist der Kandidat bei der Konkurrenz. Auch diese Aspekte beleuchten wir im Kurs, denn als Recruiter musst du auch das Unternehmen mitnehmen.

Der Druck, der von Seiten des Arbeitsmarktes immer stärker wird, wird die Unternehmen schon dazu bekommen, sich zu bewegen. Wer sich nicht bewegt, hat in Zukunft schlechte Karten. Ich denke, dass der zukünftige Erfolg von Unternehmen zu einem großen Teil davon abhängen wird, wie gut das Unternehmen darin ist, die richtigen Mitarbeiter für sich zu begeistern.

saatkorn.: Aktuell wird viel über Matching, Active Sourcing und Candidate Experience gesprochen. Was ist Deine Meinung zu diesen Themen?
Beginnen wir mal mit dem Thema Matching. Das war im Grunde schon immer wichtig. Meiner Meinung nach ändert es sich derzeit allerdings in Richtung eines Cultural Fits, der geprüft wird. Die Hardskills sind nicht weniger wichtig geworden, haben allerdings ein starkes Pandant bekommen: den Cultural Fit. Ebenfalls ein Ergebnis unserer Interviews: Bewerber suchen nach dem Cultural Fit. Sie vermissen während des Bewerbungsprozesses oft die kulturellen Einblicke, um entscheiden zu können, ob der Arbeitgeber zu ihnen passt. Für mich ist gerade auch dieses Thema der Missing Link zur DEBA. Seit 2007 beschäftigen sie sich mit dem Cultural Fit und ich bringe jetzt die Recruiting Perspektive mit hinein. Das matched perfekt;)

Active Sourcing bzw. Sourcing gewinnt meiner Meinung nach täglich an Bedeutung. Je enger der Arbeitsmarkt wird, desto mehr Stellen müssen gesourct werden. Aus diesem Grund widmen wir in unserem Kurs auch ein ganzes Modul (zwei Tage) diesem Thema. Hierfür haben wir uns die Unterstützung der absoluten Sourcing Maschinen Tobias Ortner und Jan Hawliczec ins Boot geholt. Der Recruitingmarkt wird auch in Deutschland schon sehr bald von Tools wie connect6, people graph oder lippl beherrscht werden.

Candidate Experience ist mir derzeit recht präsent auf Grund des Buches, welches ich bereits erwähnt habe. Uns war wichtig in Tiefeninterviews mal zu ergründen, was Bewerber über die Recruitingprozesse denken. Dabei hat sich gezeigt, dass Kultur transportierende Faktoren innerhalb des Bewerbungsprozesses viel schwerer wiegen als moderne Karriereseiten oder schnelle Antwortzeiten. Das Thema Kultur ist damit für mich unzertrennlich mit Candidate Experience verbunden. Wie viele Stellenanzeigen kennst du, in denen Unternehmen die eierlegende Wollmilchsau suchen? Das sind meist Unternehmen, die vielleicht wissen, was Sie fachlich brauchen, aber keinen Schimmer davon haben, wer zu ihnen kulturell passt. Die Antwort ist dann: wir entscheiden das nach dem Nasenfaktor/ das ist unser Bauchgefühl. Leider ist dies extrem subjektiv auf die auswählende Person bezogen. Einen Cultural Fit feststellen, ist bei weitem mehr und ermöglicht es dem Unternehmen auch die Kultur gezielt weiterzuentwickeln. Für mich ist das Thema Candidate Experience in Verbindung mit dem Cultural Fit eines der Zukunftsthemen im Recruiting überhaupt.

saatkorn.: Wo siehst Du für das Recruiting die Trends in den nächsten 5-10 Jahren?
In 5-10 Jahren wird die fachliche Passung maschinell bestimmt. Der Recruiter wird sich stark auf Themen wie Cultural Fit, Sourcing und Pooling konzentrieren. Anhand des Social Footprints wird man teilweise den Fit bereits ablesen können, noch bevor man den Bewerber persönlich gesehen hat. Big Data und Predictive Analytics werden wichtige Bausteine der Rekrutierung sein. Daten im Allgemeinen werden eine enorme Bedeutung bekommen. Beschäftigungen werden projektbasiert erfolgen, so dass auch ein Stück Personalentwicklung dem Recruiter zugesprochen werden wird. In diesem Kontext ist das Stichwort Employability. Bewerber werden zunehmend erwarten, dass Jobs ihre Employability steigern. Zusammenfassend würde ich sagen:

  • wichtigster Trend: Daten, Analytics und Tools
  • Cultural Fit wird ein wesentlicher Auswahlschritt von Seiten der Bewerber werden
  • Employability wird wichtiger werden als Gehalt und unbefristete Arbeitsverträge

saatkorn.: Robindro, herzlichen Dank für das Interview. Und viel Erfolg mit dem „Recruiter Next Generation“.

Für den Kurs anmelden kann man sich HIER.

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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