Neue Studie: Fachkräfte und Führung

Fachkräfte und Führung – meinestadt.de hat eine neue Studie im Angebot. Grund genug, einmal Wolfgang Weber auf den Zahn zu fühlen. Auf geht’s: 

SAATKORN: Bitte stellen Sie sich den SAATKORN LeserInnen doch kurz vor.

Wolfgang Weber von meinestadt.de
Wolfgang Weber von meinestadt.de

Mein Name ist Wolfgang Weber und ich bin seit 2018 Geschäftsführer vom Online-Portal meinestadt.de. Zusammen mit unseren über 250 Mitarbeitern helfen wir Menschen bei den wichtigen Entscheidungen im Leben und bieten den größten Stellenmarkt für Fachkräfte mit Berufsausbildung – regional und deutschlandweit.

SAATKORN: Gerade hat ​meinestadt.de​ eine spannende Studie zum Thema Fachkräfte und Führung herausgebracht. Was war das Setting der Studie?
Für unsere Studie „Fachkräfte und Führung“ haben wir im August 2019 eine Online-Befragung unter 2.085 Fachkräften mit Berufsausbildung in Deutschland durchgeführt. Und wenn wir von Fachkräften sprechen, meinen wir Menschen, die in Ausbildungsberufen arbeiten. Die meisten Studien beziehen sich nämlich ausschließlich auf Akademiker, obwohl Berufsgruppen wie Altenpflege, Klempnerei und Metallerzeugung heute die längsten Vakanzzeiten haben. Uns ist es deshalb besonders wichtig, HR-Verantwortlichen regelmäßig Insights über diese Zielgruppe zu liefern und sie damit beim Recruiting zu unterstützen. Unsere aktuelle Studie zeigt, dass gute Führung hierbei durchaus eine wichtige Rolle spielt. Wir haben Fachkräfte zum Beispiel gefragt, wie zufrieden sie mit ihren Führungskräften sind, was sie sich von ihnen wünschen, aber in der Praxis bisher nicht erleben und welche Rolle Vorgesetzte im Bewerbungsprozess spielen.

SAATKORN: Wie zufrieden sind denn die Fachkräfte mit ihren Führungskräften?
Sagen wir so: Für die Schulnote, die Fachkräfte ihren Vorgesetzten ausstellen, hätte ich damals von Oma nichts für das Sparschwein bekommen. 😉 Aktuell landen Deutschlands Chefs im branchenübergreifenden Durchschnitt bei einer 3+. Das ist nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Während Akademiker-Deutschland über New Work und partizipative Führung diskutiert, schlagen sich viele nichtakademische Fachkräfte mit cholerischen, zynischen oder anderweitig zur Führung ungeeigneten Chefs herum. Teilnehmer berichten von Vorgesetzten, die mit Gegenständen werfen, herumschreien oder beleidigend werden. Aber es gibt natürlich auch positive Berichte. Viele Vorgesetzte nehmen Rücksicht auf persönliche Schicksalsschläge und Stresslagen der Mitarbeiter, verteilen Blumensträuße zum Jubiläum oder sagen einfach mal Danke für die geleistete Arbeit. Im Übrigen schneiden Vorgesetzte im Handwerk mit einer 2,43 deutlich besser ab als Chefs in der Logistik, die nur eine 2,77 bekommen haben und damit das Schlusslicht im Branchenvergleich bilden.

SAATKORN: Wie liegen denn Führungswunsch und -wirklichkeit zusammen bzw. auseinander?
Wir haben Fachkräfte gefragt, was ihnen bei Führungskräften besonders wichtig ist und die Daten mit ihren tatsächlichen Erfahrungen in der Praxis abgeglichen. Dabei haben wir einige Lücken aufgedeckt. Die größten Enttäuschungen in der Praxis ergeben sich da, wo Wunsch und Wirklichkeit besonders stark auseinanderliegen.

Zum Beispiel wünschen sich 83 Prozent der Fachkräfte eine für Kritik offene Führungskraft. Im Alltag trifft das nur auf das Erleben von 54 Prozent zu. Mehr als drei Viertel der Befragten ist es wichtig, dass der Vorgesetzte für gute Stimmung im Team sorgt, aber nur 44 Prozent der Fachkräfte erleben dieses Verhalten tatsächlich. Einen Chef, der motiviert, wünschen sich 69 Prozent. In der Praxis erleben das nur 38 Prozent der Fachkräfte.

 

SAATKORN: Was hat Sie besonders in diesem Kontext überrascht?
Ich fand besonders spannend, dass bei den meisten Fachkräften der Wunsch vorherrscht: Fachkraft soll Fachkraft führen. Das zeigt, dass „fachliche Kompetenz“ aus Sicht der Befragten die wichtigste Führungseigenschaft ist. Die meisten Befragten wünschen sich einen Vorgesetzten, der selbst eine duale Ausbildung absolviert hat und somit Themen und Probleme inhaltlich versteht und gefühlt “nah dran” ist. Darüber hinaus sollen Vorgesetzte aber eine Menge können, was nicht zwangsläufig zur Ausbildung gehört, sondern mit „Führung als Beruf“ zu tun hat. Sie sollen ihre Mitarbeiter motivieren, entwickeln und die begrenzten Ressourcen im Blick behalten. Das sind eine Menge Aufgaben, denen nicht jede Führungskraft gleichermaßen gewachsen ist. Das liegt sicherlich auch an der oftmals mangelnden Unterstützung der Arbeitgeber, ihre Fachkräfte zu guten Führungskräften weiterzubilden. Da tut sich in jedem Fall ein Handlungsfeld auf.

SAATKORN: Welche Optimierungspotenziale und Hygienefaktoren sehen Sie im Kontext Fachkräfte und Führung?
Insgesamt haben wir 14 Eigenschaften von Führungskräften hinsichtlich Wunsch und Wirklichkeit analysiert. Hygienefaktoren in der Führung von Fachkräften sind zum Beispiel Wertschätzung, fachliche Kompetenz der Führungskraft und Kritikfähigkeit. Sie sind drei Viertel der Fachkräfte wichtig und werden zumindest von der Mehrheit aktuell in der Praxis erlebt. Sie sollten daher in jedem Unternehmen zum Standard gehören. Darüber hinaus ergeben sich aber auch Faktoren mit Potenzial, mit denen Unternehmen eine unterscheidbare Führungskultur schaffen können. Sie werden von den Fachkräften als relativ wichtig eingestuft, aber bisher nur von einer Minderheit der Führungskräfte umgesetzt. Dazu zählt die Führungskraft als Motivator sowie Entwickler ihrer Mitarbeiter, aber auch der vorausschauende Umgang mit den Kräften und Belastungsgrenzen der Mitarbeiter.

SAATKORN: Welche Handlungsempfehlungen können Sie basierend auf der Studie Fachkräfte und Führung insbesondere den HR-Abteilungen und Führungskräften mit auf den Weg geben?
Die Führungskultur eines Unternehmens nimmt sowohl im Hinblick auf die Gewinnung als auch auf die langfristige Bindung von Fachkräften eine immer größere Rolle ein. Allein ein Blick auf Arbeitgeberbewertungsportale zeigt, dass die Erwartungen an Arbeitgeber besonders schnell auf dem Gebiet der Führung enttäuscht werden. Unternehmen mit guten Führungskräften können sich durchaus vom Wettbewerb absetzen. Daher tun Arbeitgeber im ersten Schritt gut daran, ihre Führungskultur zu reflektieren und in ihre Führungsqualität zu investieren. Denn

„gute Führung“ steckt heute im Anspruchskern an jede Employer Brand. Im Hinblick auf das Recruiting von Fachkräften bringt eine gute Führungskultur natürlich nur etwas, wenn man sie auch frühzeitig kommuniziert. Das ist übrigens ein weiteres Ergebnis unserer Studie. Eine deutliche Mehrheit der Fachkräfte möchte im Vorstellungsgespräch unbedingt den Vorgesetzten kennenlernen. Dabei geht es ihnen primär um die Frage, mit welcher Art von Chef sie es zu tun bekommen und was er von zukünftigen Mitarbeitern erwartet. Vorgesetzte sollten sich daher über ihre Art der Führung und die Anforderungen an ihre Mitarbeiter im Klaren sein und aktiv im Bewerbungsgespräch darüber sprechen.

SAATKORN: Herzlichen Dank für das Interview.

Hier geht’s zum kostenlosen Download des Whitepapers.

 

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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