Welche Auswirkungen hat der Ukraine Krieg auf den Arbeitsmarkt?

Welche Auswirkungen hat der Ukraine Krieg auf den Arbeitsmarkt?

Das ist eine Frage, die nicht nur mich in letzter Zeit sehr beschäftigt: Welche Auswirkungen hat der Ukraine Krieg auf den Arbeitsmarkt? Gibt es weniger Jobs? Bricht der Job-Boom ein?

Angesichts der täglichen Nachrichtenlage gibt es aber noch weitere Fragen rund um den deutschen Arbeitsmarkt, beispielsweise Wie wirkt sich Corona in 2022 aus?

Um Antwortn auf derartige Fragen zu erhalten, empfiehlt sich ein Blick in die Daten des INDEED Hiring Lab. Oder man spricht direkt mit Dr. Annina Hering, die als Economist im Indeed Hiring Lab die entsprechenden Daten nicht nur bestens kennt, sondern auch ausgezeichnet übersetzen kann. Ich durfte mit Annina sprechen – viel Spaß also mit diesem Interview: 

Annina und das Indeed Hiring Lab

SAATKORN: Annina, bitte stelle Dich den SAATKORN Leser:innen doch kurz vor.

Ich bin Annina Hering und seit 2017 Economist im Indeed Hiring Lab, dem Arbeitsmarktforschungsinstitut von Indeed. Mit dem Arbeitsmarkt beschäftige ich mich schon seit vielen Jahren. Vor meiner Zeit bei Indeed war ich wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung und habe dort auch zum Arbeitsmarkt promoviert. Meine große Leidenschaft ist dabei die Arbeit mit Daten. Tagtäglich nutze ich Indeed-Daten, Survey-Daten oder amtliche Statistiken und untersuche, wie sich der Arbeitsmarkt entwickelt. Dabei schaue ich mir aktuelle Trends an, hinterfrage aber auch, wie sich die Arbeitswelt in Zukunft verändern wird. 

Beispielloser Job-Boom

SAATKORN: Wie hat sich auf Basis der Analysen aus dem INDEED Hiring Lab der Arbeitsmarkt in DACH im letzten Jahr entwickelt?

Das lässt sich auf Basis unserer Indeed-Arbeitsmarktdaten hervorragend beantworten. Vorweg: Die Stellenausschreibungen auf Indeed sind ein Echtzeitmaß für die Nachfrage nach Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt. Pro Monat sind 890.000 neue Stellen für Deutschland auf Indeed zu finden. Diese großen Datenmengen nutze ich für meine Analysen und kann daher klar benennen, in welchen Berufe, an welchen Orten und in welchem Zeitraum der Bedarf an Arbeitskräften steigt bzw. sinkt. 

Aktuell erleben wir einen beispiellosen Job-Boom. So viele Stellenanzeigen gab es nie zuvor auf Indeed. Vor knapp einem Jahr, Ende März 2021, hatte sich der Arbeitsmarkt von der Covid-19-Pandemie erholt. Das heißt, Arbeitgeber haben wieder so viele Stellen ausgeschrieben wie vor Beginn der Pandemie. Jetzt müssen wir uns in Erinnerung rufen, dass der Arbeitsmarkt vor der Pandemie von einer niedrigen Arbeitslosenquote und einer hohen Nachfrage nach Arbeitskräften geprägt war. Aktuell, im März 2022, gibt es nun noch einmal über 50 Prozent mehr Stellenausschreibungen als vor der Pandemie. Die Herausforderungen von Arbeitgebern, neue Beschäftigte zu finden, haben sich somit um ein vielfaches erhöht. Für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind das gleichzeitig ideale Voraussetzungen für Verhandlungen zu Gehaltserhöhungen oder aber auch einen Jobwechsel. 

Stellenausschreibungen Indeed Deutschland SAATKORN
Stellenausschreibungen Indeed Deutschland SAATKORN

Vom Fachkräfte- zum Arbeitskraftmangel

SAATKORN: Vielfach wird inzwischen nicht mehr vom Fachkräftemangel, sondern vom Arbeitskraftmangel gesprochen. Belegen Eure Analysen dieses neue Wording?

Das kann man durchaus so sehen: Unsere Daten zeigen sehr deutlich, dass es im Augenblick für die allermeisten Berufsgruppen deutlich mehr Stellenausschreibungen als noch vor Beginn der Pandemie gibt. Dieses Wachstum fällt in den einzelnen Berufsfeldern sehr unterschiedlich aus. Gleichzeitig haben wir in Deutschland eine sehr geringe Arbeitslosenquote. Verschärft wird die Situation für Arbeitgeber durch den demografischen Wandel, das heißt, der deutsche Arbeitsmarkt verliert jetzt schon mehr Erwerbstätige in die Rente als junge Erwerbstätige nachkommen. Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren weiter zuspitzen.

Indeed Hiring Lab Jobwachstum Pandemie SAATKORN
Indeed Hiring Lab Jobwachstum Pandemie SAATKORN

Welche Auswirkungen hat der Ukraine Krieg auf den Arbeitsmarkt?

SAATKORN: Seit dem 24. Februar gibt es leider den Ukraine Krieg. Inwiefern wirkt sich dies bis dato auf den Arbeitsmarkt in der DACH Region aus?

Die veränderte geopolitische Lage wird Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft haben und damit auch auf den deutschen Arbeitsmarkt. Das Ende von Handelsbeziehungen mit Russland, Lieferengpässe oder auch Teuerungen durch zum Beispiel steigende Energiepreise, können Unternehmen natürlich auch in ihrem Business beeinflussen. Ob dies nun Auswirkungen auf die Ausschreibungen von Stellenanzeigen hat, ist nicht nur branchen-, sondern auch unternehmensspezifisch und hängt u.a. davon ob, wie langfristig die Auswirkungen auf das Geschäftsleben eingeschätzt werden und wie relevant diese Einschränkungen sind. 

Ukraine Krieg: bislang keine Arbeitsmarkt-Effekte

Bisher konnten wir noch keine Effekte feststellen, die wir in einem direkten Zusammenhang mit dem Ukraine Krieg sehen, wie ich auch in meinem aktuellen Beitrag für das Indeed Hiring Lab resümiere. Allerdings werden wir die Arbeitsmarktentwicklungen weiter genau beobachten. Worum sich Unternehmen aber schon heute und auch in den kommenden Monaten kümmern können und werden, ist die Integration der Menschen aus der Ukraine in den Arbeitsmarkt, damit sie hier eine langfristige Perspektive haben. Das sind auch die Pläne der Bundesregierung bzw. von Arbeitsminister Hubertus Heil, der die Ukrainerinnen und Ukrainer auf lange Sicht und möglichst unkompliziert integrieren möchte.  

Homeoffice: gekommen, um zu bleiben

SAATKORN: Welche Effekte ergeben sich aus Deiner Sicht aus der immer noch andauernden Corona-Pandemie?

Unser Indeed-Job-Index und die hohe Nachfrage nach Arbeitskräften deuten darauf hin, dass Unternehmen in Deutschland insgesamt sehr optimistisch sind. Aktuell gibt es so viele Stellenausschreibungen auf Indeed wie noch nie. Ein weiterer, positiver Effekt, ist die Etablierung von Homeoffice in Deutschland. Seit Beginn der Pandemie wächst der Anteil von Jobs mit der Möglichkeit zumindest teilweise aus dem Homeoffice zu arbeiten konstant an und erreicht derzeit neue Rekordhöhen von 13 Prozent. Während zu Beginn der Pandemie dazu Witze gerissen wurden, dass viele Arbeitgeber digital nicht vorbereitet sind, muss man jetzt sagen: Die Unternehmen haben die Chancen erkannt und Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben.

Arbeitsmarkt Home Office Indeed SAATKORN
Home Office: gekommen, um zu bleiben

Arbeitsmarkt bleibt für Arbeitgeber schwierig

SAATKORN: Wagen wir mal einen Blick in die Glaskugel: welche Effekte erwartest Du bis Ende dieses Jahres in Bezug auf die Nachfrage nach Arbeitskräften?

Die Nachfrage nach Arbeitskräften wird sich auf einem sehr hohen Niveau fortsetzen. Für die deutsche Wirtschaft zeigen sich bereits Auswirkungen des Krieges in der Ukraine. Inwiefern diese auch auf dem Arbeitsmarkt sichtbar werden, muss sich noch zeigen. Was wir jetzt bereits wissen, Ende des Jahres stehen erneut weniger Menschen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung als noch zu Beginn des Jahres. 

Nachfrage nach HR explodiert

SAATKORN: Und wie sieht es mit der Nachfrage nach HR-Jobs aus? Insbesondere bezogen auf Employer Branding und Recruiting?

Die Nachfrage nach HR-Mitarbeitenden erreicht angesichts des allgemeinen Job-Booms absolute Rekordhöhen. Im Vergleich zu vor Corona sind die Stellen im Personalwesen um rund 110 Prozent angestiegen und damit regelrecht explodiert. Aufgrund dieser Nachfrage müssen Unternehmen auch in Zukunft verstärkt auf den Ausbau und die Qualität ihrer HR-Abteilungen achten. Eine an den Markt angepasste Employer-Branding-Strategie wird in Anbetracht der hohen Nachfrage ebenfalls von großer Bedeutung sein, um sich von konkurrierenden Unternehmen abzusetzen und den rasant wachsenden Anforderungen von Bewerber*innen und Arbeitnehmer*innen gerecht zu werden. Andernfalls wird es für Unternehmen eher schwer, neue Talente für sich zu gewinnen und bestehende Beschäftigte langfristig zu halten.

SAATKORN: Annina, herzlichen Dank für dieses Gespräch rund um den Arbeitsmarkt in Deutschland. Und Dir weiterhin viel Spaß und Erfolg im INDEED Hiring Lab!

 

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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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