Bertelsmann: neues Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler

Ein Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler?! – In Zeiten, wo gefühlt fast immer nur nach ITlern gesucht wird, ein aufsehenerregender Schritt. Europas größter Medienkonzern Bertelsmann hat Gestern ein ebensolches Programm gelaunched. Ich hatte Gelegenheit, darüber mit Initiator Dr. Nico Rose, Head of Corporate Employer Branding, University Relations & Recruiting Programs, zu sprechen. Auf geht’s:

saatkorn.: Nico, bitte stelle Dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.

Dr. Nico Rose von Bertelsmann.
Dr. Nico Rose von Bertelsmann.

Ich arbeite seit rund sechs Jahren im Corporate Center von Bertelsmann und verantworte mit meinem Team zum einen das internationale Employer Branding auf Ebene der Dachmarke (Create Your Own Career) und zum anderen die programmgebunden Recruiting-Aktivitäten. Wenn es meine Zeit erlaubt, schreibe ich außerdem gerne über Themen aus den Bereichen HR und Leadership, beispielweise auf Zeit Online oder als XING Insider.

saatkorn.: Gestern startete Bertelsmann das Marketing für ein Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler unter dem Namen „Bertelsmann Creative Management Program“. Wie ist die Idee dazu entstanden und was steckt dahinter?
Zunächst einmal hat Bertelsmann auf der Corporate-Ebene schon viele Jahre kein klassisches Trainee-Programm mehr betrieben. Es gibt über den Konzern verteilt tolle Angebote, zum Beispiel das bereits über viele Jahre erfolgreich laufende Programm der Kollegen von Gruner+Jahr. Doch auf der Corporate-Ebene gab es schon lange kein entsprechendes Angebot – und Trainee-Programme sind bekanntlich nach wie vor ein beliebter Einstiegsweg für deutsche Absolventen.

Herausforderung: Unser Trainee-Programm sollte bewusst eine Lücke im deutschen Markt besetzen, die sich nach intensiver Analyse für uns herauskristallisiert hat: Ein Management-Trainee-Programm exklusiv für Geistes- und Sozialwissenschaftler, ein Programm mit der Aussage: „Liebe GeiWis, das hier ist exklusiv für Euch, weil ihr genau richtig seid, wie ihr seid“.

Ergänzend hat eine interne Analyse ergeben, dass viele unserer Top-Führungskräfte keinen klassischen BWL-Hintergrund haben. Da gibt es beispielsweise Kollegen wie Bernd Reichart, Geschäftsführer unseres Fernsehsenders VOX, der ursprünglich mal Sport und Englisch auf Lehramt studiert hat. Er ist tatsächlich nur ein Beispiel von vielen, die einen vergleichsweise ungewöhnlichen Studienhintergrund aufweisen.

Schließlich gab es noch einige weitere gute Gründe, in die Planung zu gehen. Beispielsweise wollen wir mehr Menschen im Unternehmen haben, die möglichst früh einen breiten Überblick über die Vielfalt unserer Geschäfte erlangt haben. Auch dazu wird das Programm, unabhängig von der besonderen Zielgruppe, einen Beitrag leisten.

saatkorn.: Wer ist konkret Zielgruppe für das neue Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler? Wer sollte sich bewerben?
In erster Linie wünschen wir uns herausragende Master-AbsolventInnen der Geistes-, Sozial-, Politik-, Medien-, Sprach-, oder Kommunikationswissenschaften, der Soziologie oder eines journalistischen Studiengangs mit einer großen Leidenschaft für die Wirtschaft und natürlich insbesondere für das Medienbusiness. Heute gibt es auch viele interdisziplinäre Studiengänge. Wer zum Teil etwas BWL-nahes studiert, kann sich auch bewerben, aber der Anteil der Credit Points in diesem Bereich sollte unter 50% liegen.

Zentrale Informationen zum Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler bei Bertelsmann.
Zentrale Informationen zum Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler bei Bertelsmann.

saatkorn.: Mal ganz ehrlich: Besteht wirklich ein Need im Bertelsmann-Konzern für dieses Programm? Bewerben sich nicht ohnehin genug Geisteswissenschaftler in Europas führendem Medienhaus?
Das ist eine berechtigte Frage, die wir in den vergangenen Monaten sehr intensiv mit vielen divisionalen HR-Kollegen diskutiert haben. Wir haben, das darf ich hier sagen, außergewöhnlich viel positives Feedback erhalten und sind in dem Gedanken bestärkt worden, dass da definitiv noch Platz ist im konzernweiten Recruiting-Portfolio. Bei der Größe und Vielfalt von Bertelsmann gibt es bereits ein breites Angebot, vom Volontariat über diverse Formen des Direkteinstiegs und, wie bereits erwähnt, einige Trainee-Programme mit verschiedenen Zielgruppen. Aufstrebende Geisteswissenschaftler finden also in der Tat ein interessantes Spektrum an Möglichkeiten vor. Ein guter Teil dieser Angebote richtet sich allerdings an Menschen, die sich vorrangig im inhaltlichen Bereich bewegen möchten, also zum Beispiel eine Karriere im redaktionellen Umfeld anstreben – und das ist auch gut so.

Das neue Programm soll die Teilnehmer jedoch gezielt auf eine Management-Karriere vorbereiten. Wir betrachten das Ganze ehrlich gesagt auch ein Stück weit als Experiment – darum macht die Arbeit an diesem Projekt auch so viel Freude. Ich bin tierisch gespannt auf die ersten Profile, die hoffentlich in den kommenden Tagen bei uns eingehen werden. Wer bewirbt sich ganz konkret? Was für Hintergründe werden die Menschen haben? Ich denke, da gibt es ein großes Potenzial für positive Überraschungen.

saatkorn.: Wie ist das CMP als Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler aufgebaut? Was lernt man, wenn man aufgenommen wird?
Die Teilnehmer werden vier Stationen à fünf Monate absolvieren, sind also insgesamt 20 Monate im Programm. Der Schwerpunkt der Rotationen wird auf unseren vier Content-Divisionen RTL Group, Penguin Random House, Gruner+Jahr sowie BMG liegen. Nach heutigem Stand der Planung werden außerdem Einsätze in den Service-Geschäften von Arvato im Angebot sein.

Grundsätzlich streben wir an, dass die Teilnehmer beide Seiten unserer Geschäfte kennenlernen, also die Content-Produktion (z.B. Redaktion) wie auch die Monetarisierung, also beispielsweise Marketing und Sales. Wenn jemand unbedingt ins Rechnungswesen oder Controlling o.ä. reinschnuppern möchte, wollen wir nach Möglichkeit auch das anbieten können.

Begleitend werden wir für die Teilnehmer ein attraktives Trainingsprogramm anbieten: BWL-Grundlagen, wichtige Tools für den Unternehmensalltag und auch Aspekte der Persönlichkeitsentwicklung und Karriereplanung. Ergänzend denken wir derzeit über Felder wie Storytelling und Design Thinking nach. Das ist noch ein wenig im Fluss, das Programm startet ja erst in sechs Monaten. Letztlich hängt das auch davon ab, welche Menschen wir konkret mit auf die Reise nehmen werden.

saatkorn.: Und welche Zukunftsoptionen ergeben sich nach dem Durchlauf im neuen Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler? Platt gefragt: Kann man damit Vorstand werden?
Wir wünschen uns natürlich Menschen im Programm, die das Potenzial mitbringen, irgendwann einmal Vorstand zu werden. Das Ganze ist als Management-Trainee-Programm konzipiert, wir suchen also tendenziell nicht den nächsten Chefredakteur, sondern perspektivisch eher den Verlagsgeschäftsführer. Und von dort kann es ja durchaus noch weiter gehen in Richtung Vorstand.

Trotzdem müssen die Menschen natürlich erstmal ihren Weg gehen, das ist ja bei den Kollegen, die jetzt in Top-Positionen angekommen sind, genauso der Fall gewesen. Julia Jäkel zum Beispiel, die ursprünglich einmal Geschichte und Politikwissenschaften studiert hat, ist seit 1997 im Konzern. Seit 2013 leitet sie Gruner+Jahr. Sie hat sich diesen Schritt also über 16 Jahre erarbeitet. Von daher: Unsere Teilnehmer erwarten sicher nicht, dass sie schon nach einer Handvoll Jahren Vorstandsmitglied sind, aber gleichzeitig wünschen sie sich sicherlich, dass ihnen dieser Weg prinzipiell offensteht.

saatkorn.: Wie bewerbt Ihr das CMP als Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler?
Wir fahren eine konzertierte Kampagne, deren Key Visual diesen „Schmerz“ aufgreift, den wir im Markt wahrnehmen: Dass es zu wenig attraktive Entwicklungsmöglichkeiten für diese Zielgruppen gibt – und dass sie es typischerweise nicht an die Spitze schaffen im Unternehmenskontext. Wir spielen bewusst mit diesem Klischee, zeigen dann jedoch an konkreten Testimonials auf der Programm-Website, dass Bertelsmann hier in Wirklichkeit sehr attraktiv aufgestellt ist, weil wir als Medienunternehmen außergewöhnlich viele Geistes- und Sozialwissenschaftler im Top-Management haben.

Neben der Website nutzen wir unsere etablierten Social Media-Kanäle, es wird ein wenig Printwerbung geben, einige Online-Formate, begleitende Pressearbeit. Wir gehen natürlich auch auf unsere Netzwerkpartner wie careerloft und e-fellows.net zu, AIESEC oder die Stiftung der Deutschen Wirtschaft. Außerdem nutzen wir etablierte Hochschulkontakte, wobei wir ein Stück weit Neuland betreten müssen, denn bisher haben wir auch hier vor allem im betriebswirtschaftlichen Teich gefischt.

saatkorn.: Nico, danke für das Interview – und viel Erfolg mit dem neuen Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler!

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

2 Gedanken zu „Bertelsmann: neues Traineeprogramm für Geisteswissenschaftler

  • 24. Juli 2017 um 15:00
    Permalink

    Hallo,

    finde es toll, dass ein so großes Medienunternehmen, die wahrscheinlich Bewerbungen ohne Ende von Volunteers bis Praktikanten, etc. bekommen, ein solches Modell einführt. Ich habe selbst nach meinem Studium ein Traineeprogramm in einem mittelständischen Medienunternehmen absolviert. Ein Traineeprogramm ist wirklich ein super Modell für den Berufseinstieg und kann auch als erfolgreicher Karrierestart als zukünftige Führungskraft dienen. Dazu habe ich hier einen guten Artikel gefunden http://www.bigkarriere.de/ratgeber/arbeitswelt/traineeprogramm Ich kann ein Traineeprogramm nur empfehlen. Vor allem für die, die sich auch nach dem Studium bei der Jobsuche schwertun. Mittlerweile arbeite ich mit Freude als Abteilungsleiter in der Firma. Für mich war das Programm ein echtes Sprungbrett.

    Gruß Gernot

    Antwort
  • 19. September 2016 um 13:49
    Permalink

    Hallo zusammen,

    ein sehr interessantes Modell. Als ehemaliger Offizier der Bundeswehr habe ich seinerzeit ebenfalls ein geisteswissenschaftliches Studium an der Helmut-Schmidt-Universität (UniBwHH) abgeschlossen. Immer noch pflege ich den Kontakt zur Uni und bin in Alumninetzwerken organisiert. Viele Offiziere, die nebst Ihres Studiums eine exzellente Ausbildung „in der Truppe“ absolviert haben, verlassen (so wie ich seinerzeit) nach 12 Jahren die Bundeswehr und streben eine „neue“ Karriere in der freien Wirtschaft an. Oftmals ist es schwierig, hier den Zugang oder eine Chance als Geisteswissenschaftler zu bekommen.
    Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass sich hier für beide Seiten gewinnbringende Synergien ergeben könnten. Bei der nächsten Veranstaltung meines Netzwerkes werde ich definitiv Werbung für dieses Programm machen.
    Beste Grüße
    Tobias W. Goers

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