Active Sourcing Serie Teil 4: KI

In der saatkorn. ACTIVE SOURCING Serie in Kooperation mit skillconomy geht es heute um das Thema Künstliche Intelligenz (KI). Ja, warum überhaupt noch Menschen, warum nicht einfach nur Technologie könnte man fragen. Aber es ist doch etwas komplexer, auf geht’s:

saatkorn.: Wie schätzt ihr als Tech-Unternehmen die Rolle von KI im Recruiting ein?
Als Tech-Unternehmen liegt Technologie in unserer DNA – wir meinen sagen zu können, dass wir uns mit Technologie ganz gut auskennen, auch mit den meisten Methoden, die unter dem Sammelbegriff KI zusammengefasst werden. Und: Wir sind regelmäßig schockiert, was der Personalwelt teilweise ernsthaft aufgetischt wird: Von „fälschungssicheren Lebensläufen dank Blockchain“ über „psychologische Profile aus 150 Wörtern Text oder Telefonaten“ bis zu „cultural fit tests auf Basis von Gesichtsanalyse“. Die Grenzen der Seriosität werden hier weit überschritten und wir raten zu einer grundsätzlichen Skepsis. Methoden, die nicht nach wissenschaftlichen Standards unabhängig validiert sind, haben aus unserer Sicht im Recruiting nichts zu suchen.

saatkorn.: Welche Relevanz hat KI im Active Sourcing Kontext?
Der Einsatz modernster Softwaretechnologien ist gerade im Active Sourcing absolut zentral. Das schließt insbesondere auch statistische Methoden zur Analyse und Optimierung der Candidate Experience ein – die schnell komplex werden. Wir werden hierauf im nächsten Teil der Serie noch einmal eingehen. Durchdachte Matching-Algorithmen spielen ebenfalls eine zentrale Rolle, wobei wir bei aller Komplexität vorsichtig sind, diese als KI zu bezeichnen: Es handelt sich hierbei im Wesentlichen um eine Vielzahl komplexer, regelbasierter Kriterien, die mit boolscher Logik kombiniert werden können – und damit nicht um KI.

saatkorn.: Wie steht es um machine learning im Zusammenhang mit HR? Können wir hier disruptive Innovationen erwarten?
Machine learning (insbesondere in der „voll aufgedrehten“ Variante deep learning) ist der unbestrittene Platzhirsch der KI. Das Feld ist technologisch sehr spannend und viele der oft überhöhten Erwartungen an KI richten sich hierauf. Wir lassen uns gerne überraschen, aber unsere eigenen Erfahrungen zeigen: HR ist für machine learning nicht besonders prädestiniert. Wir sind „nah am Menschen“ und haben es dementsprechend größtenteils mit unstrukturierten, variantenreichen Daten zu tun, in denen sich verschiedenste Effekte teils chaotisch überlagern.

Wir raten zur Skepsis: Ein neuronales Netz, das irgendetwas vorhersagt, kann man an einem halben Tag fertig bauen: Ob die Ergebnisse, die dabei herauskommen im Entferntesten etwas mit der Realität zu tun haben, steht auf einem völlig anderen Blatt. Solange es keine etablierte Zertifizierung für KI gibt: Lassen Sie sich die Methode erklären! Lassen Sie sich Studien aushändigen, die zeigen, dass die Ergebnisse valide sind. Wenn diese nicht unabhängig sind: Fragen Sie einen Experten, ob wissenschaftliche Standards eingehalten sind.

saatkorn.: Arbeitet Ihr ausschließlich mit eigener Technologie oder setzt Ihr auch Lösungen wie Talentwunder oder Instaffo ein?
Wir setzen nur eigene Technologien ein. Talentwunder und Instaffo haben wir getestet, aber uns dann doch entschieden, auch die Erfassung der Profile in den sozialen Netzwerken selbst in die Hand zu nehmen.

saatkorn.: Welche Active Sourcing Tools sollten sich HR Abteilungen Eurer Meinung nach mal anschauen?
Tja… wir haben noch kein öffentlich verfügbares Tool gesehen, das ein wirklicher Gamechanger im Active Sourcing wäre. Viele Tools konzentrieren sich darauf, Profile zu liefern und versprechen hierbei den ein oder anderen Zusatznutzen. Der Mehrwert gegenüber den Recruiter-Zugängen der sozialen Business-Netzwerke ist aus unserer Erfahrung nicht immer da, weil die Netzwerke ihre Marktmacht natürlich nutzen und andere Toolanbieter systematisch im Nachteil sind. Das Tool, das diesen krassen Wettbewerbsnachteil kompensiert und dann noch echte Mehrwerte für die Identifikation von Kandidaten schafft, haben wir persönlich noch nicht gesehen.

Neben der Identifikation von Kandidaten ist im Active Sourcing das Datenmanagement extrem wichtig, also schlicht und einfach den Überblick zu behalten. Hier sind die sozialen Netzwerke aus unserer Sicht nicht ausreichend – allein schon, weil es nicht funktioniert, in mehreren komplett isolierten Systemen zu arbeiten, in denen ja aber zu einem großen Teil dieselben Menschen unterwegs sind. Bewerbermanagementsysteme setzen oft zu weit hinten in der Candidate Journey an. Letztlich sind das die Gründe dafür, dass wir unsere Softwaresysteme komplett selbst entwickelt haben.

saatkorn.: Herzlichen Dank für diese Einblicke in das Themenfeld Active Sourcing und KI!

Nächste Woche geht es mit dem Thema Data Analytics weiter. Die bisherigen Teile der Active Sourcing Serie findest Du hier:

  1. Begriffsklärung
  2. Make or Buy?
  3. Candidate Experience

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

Ein Gedanke zu „Active Sourcing Serie Teil 4: KI

  • 28. November 2019 um 09:39
    Permalink

    Künstliche Intelligenz (KI) im Recruiting verbindet im allgemeinen beide Extreme miteinander: Angst und Hoffnung. Angst davor, dass Algorithmen zukünftig noch mehr Entscheidungen in unserem Alltag treffen werden und dann selbst unsere Karrierechancen vom Wohlwollen einer Maschine abhängt. Hoffnung darauf, dass durch bessere und intelligentere Software nicht nur mehr Fairness und Objektivität ins Recruiting Einzug erhält, sondern, dass sich dadurch auch das Berufsbild des Recruiters deutlich verbessern wird.

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