Neue Studie: Employer Branding für Fachkräfte

Employer Branding für Fachkräfte (nicht Akademiker) ist ein ernstes Thema: die deutsche Wirtschaft klagt über einen massiven Fachkräftemangel und für knapp zwei Drittel der offenen Stellen werden aktuell Fachkräfte mit Berufsausbildung gesucht. Doch scheinen Stellenanzeigen an potenziellen Bewerbern vorbeizugehen, denn vielen Firmen werben mit den falschen Argumenten. meinestadt.de kümmert sich seit über 10 Jahren um diese spezielle Bewerbergruppe (auch auf saatkorn. gab es hierzu bereits „Futter“) und kennt die wichtigsten Kriterien, die heute über die Wahl des Arbeitgebers entscheiden. Ein Gespräch mit Geschäftsführer Georg Konjovic. Auf geht’s:

saatkorn.: Georg, bitte stell dich den saatkorn. LeserInnen doch kurz vor.

Georg Konjovic von meinestadt.de
Georg Konjovic von meinestadt.de

Mein Name ist Georg Konjovic und ich bin inzwischen seit fast 20 Jahren im Online Business tätig. Bei meinestadt.de bin ich nun seit fünf Jahren als CEO an Bord. Wir bieten seit über 10 Jahren den größten Stellenmarkt für Fachkräfte mit Berufsausbildung und haben bereits früh erkannt, wie wichtig gut ausgebildete Fachkräfte für den deutschen Arbeitsmarkt sind.

saatkorn.: Kürzlich hat meinestadt.de eine Studie zum Thema Employer Branding für Fachkräfte (nicht Akademiker) veröffentlicht. Wie ist die Idee zu dieser Studie entstanden?
Das Thema Employer Branding wird zurzeit viel diskutiert – allerdings ist uns aufgefallen, dass Studien zu dem Thema ausschließlich auf Akademiker abzielen. Inzwischen sind es aber eben nicht die studierten Arbeitnehmer, die von der Wirtschaft händeringend gesucht werden. Gerade in vielen nicht-akademischen Berufen wird Personal immer knapper. Wir haben festgestellt, dass diese Bewerbergruppe häufig völlig falsch angesprochen wird, so dass viele Stellenanzeigen an den Interessen von Jobsuchenden mit Ausbildung schlichtweg vorbeigehen. Unternehmen haben anscheinend Schwierigkeiten, sich in den Arbeitnehmer hineinzuversetzen. So werden beispielweise Berufskraftfahrer mit „flachen Hierarchien“ und „demographischer Personalpolitik“ und Altenpfleger mit „Karriere“ gelockt. Daher haben wir dann mal nachgefragt, worauf Kandidaten mit Ausbildung im Job Wert legen.

saatkorn.: Was war das Setting der Studie rund um Employer Branding für Fachkräfte, wer wurde befragt?
Zusammen mit dem Marktforschungsinstitut respondi haben wir im Juli 2017 insgesamt 2.024 Fachkräfte befragt, worauf es ihnen bei zukünftigen Arbeitgebern ankommt. Auf einer fünfstufigen Skala konnten sie angeben, wie wichtig bzw. unwichtig ihnen verschiedene Aspekte sind, wenn sie auf Jobsuche sind. Die Antworten haben wir dann über Freitextfelder am Ende validiert. Die meisten Befragten stammen aus den Branchen Logistik, Handwerk, Handel und Gesundheitswesen. Begleitet wurde unsere Studie vom Lehrstuhl für Entrepreneurship von Prof. Dr. Matthias Baum von der Technischen Universität Kaiserslautern. Er forscht seit Jahren zum Thema Personalmanagement und Employer Branding.

saatkorn.: Inwiefern unterscheiden sich Fachkräfte von anderen Bewerberzielgruppen?
Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Fachkräfte mit Berufsausbildung natürlich keine homogene Gruppe sind, schließlich gehört der Malermeister oder Mechatroniker genauso dazu wie die Krankenpflegerin oder der Lager-Facharbeiter. Bedürfnisse und Wünsche sind also verschieden und müssen immer individuell berücksichtigt werden. Allgemein lässt sich aber sagen, dass Unternehmen bezüglich Employer Branding und logischerweise dann auch beim Recruiting noch wesentlich stärker auf die jeweiligen Anforderungen eingehen müssen – sonst sind potenzielle Mitarbeiter schnell verprellt. In unserer Studie haben wir jedoch branchenübergreifend festgestellt, dass es Fachkräften mit Berufsausbildung nicht um die Option geht, möglichst schnell die Karriereleiter hochzuklettern. Das wird aber in vielen Stellenanzeigen immer noch als entscheidender Faktor in den Mittelpunkt gestellt. Bleiben wir ruhig beim Beispiel Altenpfleger: Den begeistert man sicher nicht, wenn man ihm etwas über „Karriere“ erzählt. Der möchte etwas Sinnstiftendes tun, sich selbst und seine Fähigkeiten einbringen. Das sind die Dinge, die der Arbeitgeber kommunizieren sollte.

saatkorn.: Was sind für dich die interessantesten drei Ergebnisse in Bezug auf Employer Branding für Fachkräfte?
Wir finden es extrem aufschlussreich, dass das Thema Sicherheit mit Abstand als wichtigstes Kriterium bei der Wahl des Arbeitgebers angegeben wird. Fast 64% aller befragten Fachkräfte bewerten diesen Punkt mit „sehr wichtig“ und messen ihm damit wesentlich größere Bedeutung zu als etwa „gute Aufstiegschancen“ oder „ein überdurchschnittliches Gehalt“. Hierzu gehört ganz klar auch das Thema finanzielle Sicherheit.

Auffällig ist in dem Kontext, dass mehr als die Hälfte der Befragten die „pünktliche Gehaltszahlung“ als entscheidenden Faktor angibt. Auch die Themen „Arbeitsschutz“ und „Arbeitswerkzeuge“ spielen eine große Rolle für Fachkräfte.

Erstaunlich sind zudem die Antworten auf die Frage, woran Fachkräfte einen guten Arbeitgeber erkennen. Die Karriere-Website landet mit knapp 15 Prozent nur auf dem fünften Platz.

meinestadt.de Studie Employer Branding für Fachkräfte
meinestadt.de Studie Employer Branding für Fachkräfte

saatkorn.: Also gelten im Employer Branding für Fachkräfte auf Basis eurer Studie andere Regeln?
Für Akademiker mag beispielsweise die pünktliche Gehaltszahlung eine Selbstverständlichkeit sein, in der Kommunikation mit Fachkräften muss dieser Aspekt aber stärker in den Vordergrund rücken. Interessanterweise ist die Pünktlichkeit, also die zuverlässige Gehaltspolitik, auch wichtiger als die Gehaltshöhe. Nur jeder Fünfte gab an, dass ein überdurchschnittliches Gehalt für sie/ihn sehr wichtig sei. Dass bei Akademikern das Gehalt eher Nebensache ist, ist ja heute schon fast undenkbar! Selbstverständlich brauchen und wollen auch Fachkräfte ein angemessenes Gehalt, von dem sie gut leben können – die Prioritäten liegen aber trotzdem in ganz anderen Bereichen. Auch in Bezug auf Aufstiegschancen und Weiterentwicklungsmöglichkeiten haben Akademiker häufig andere Vorstellungen als Nicht-Akademiker. Das Studium muss sich im wahrsten Sinne des Wortes auszahlen.

saatkorn.: Welche Handlungsempfehlungen leitest du im Employer Branding für Fachkräfte aus eurer Studie ab?
Meine wichtigste Empfehlung lautet: Weg mit dem Karriere-Wording bei Fachkräften mit Ausbildung. Und zwar sofort! Karrieretage, Karrierechancen, Karrierewebsites – Unternehmen müssen umdenken, um erfolgreiches Recruiting zu betreiben. HR-Verantwortliche sollten sich schon bei der Formulierung einer Stellenanzeige und anschließend auch im Bewerbungsprozess viel stärker in die tatsächliche Zielgruppe hineinversetzen. Ich würde sogar sagen, dass sich das Employer Branding für die nicht-akademischen Fachkräfte ganz neu erfinden muss. Wer bei Fachkräften immer noch auf klassische Karrierebegriffe setzt, wenn für das Unternehmen geworben wird, wird keinen Erfolg haben. All die generischen Kommunikationsbausteine wurden häufig für Akademiker entwickelt und gehen an Fachkräften mit Berufsausbildung völlig vorbei. Wer im Employer Branding für Fachkräfte begeistern möchte, muss über Unternehmenskultur, Sicherheitsaspekte und die Möglichkeiten, eigene Fähigkeiten einzubringen, sprechen!

saatkorn.: Georg, ganz herzlichen Dank für das Gespräch rund um Employer Branding für Fachkräfte!

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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