Individuell, aber schnell: die „Lizenz zur Zufriedenheit“

Individuell, aber schnell: die „Lizenz zur Zufriedenheit“

Mein geschätzter Kollege Dr. Nico Rose aus dem Bertelsmann Universum hat sie: die „Lizenz zur Zufriedenheit“. Naja, zumindest hat er ein Buch dazu geschrieben, welches aktuelle Erkenntnisse aus der Psychologie mit Fallstudien aus seiner Coaching Erfahrung anreichert. Ich sehe hier durchaus den ein oder anderen Bezugspunkt auch zu Themen wie Employer Branding, Mitarbeitergewinnung und -bindung. Denn wer auf Dauer unzufrieden ist, tut nach einer gewissen Leidenszeit etwas dagegen. Ein Thema, mit dem viele Organisationen bereits heute zu kämpfen haben, in der Zukunft aber noch mehr. Ob Nicos Buch auch zur Verbesserung der „organisationalen“ Zufriedenheit beitragen kann, habe ich bei ihm mal nachgefragt. Vorhang auf für Dr. Rose:

saatkorn.: Nico, wie bist Du auf die Idee gekommen, ein Buch zum Thema „Lebenszufriedenheit“ zu verfassen?
Ich arbeite seit 2008 im Nebenberuf als Coach. Meine Klienten kommen zum größten Teil aus dem klassischen Business-Kontext (höhere Führungskräfte, Geschäftsfürer, auch viele Selbstständige). Interessanterweise stammen aber seit den Anfangstagen etwa 80 Prozent der Themen, die diese Personen zu mir mitbringen, aus dem privaten Kontext: Es geht häufig um Aspekte wie Partnerschaft, Familie, aber auch grundlegende Fragen wie: „Lebe ich gerade das Leben, dass ich eigentlich einmal leben wollte?“. Das Buch ist also im Grunde direkt durch meine Klienten inspiriert.

saatkorn.: Was sind die Kernaussagen und warum lohnt sich die Lektüre?

1) Subjektives Wohlbefinden ist – statistisch betrachtet – zu etwa 50% genetisch determiniert, ähnlich wie z.B. bestimmte Charaktereigenschaften. Jeder von uns hat also unterschiedliche Startbedingungen; und mehr oder weniger Spielraum. Da beißt die Maus keinen Faden ab, das muss man erst mal so akzeptieren.

2) Maximal 10% speisen sich aus externen Aspekten, z.B. unserem Gesundheitszustand, unserem Wohnort, dem Einkommen etc. Es lohnt sich also – zumindest in puncto Zufriedenheit – kaum, nach materiellen Gütern zu streben. Die vielen Bücher à la „Denke nach und werde reich“ sollte man eigentlich in die Tonne kloppen. Sie schaden eher, als dass sie Nutzen stiften.

3) Damit bleiben schließlich 40% unserer Lebenszufriedenheit, die wir selbst in der Hand, genauer gesagt: im Kopf und im Herzen haben. Es gibt Lebenseinstellungen und innere Haltungen, die wissenschaftlich nachgewiesen unsere übergreifende Lebenszufriedenheit erhalten bzw. steigern können. Und diese Haltungen lassen sich wiederum mit recht einfachen Übungen trainieren. Einen ganzen Haufen davon findet der Leser im Buch bzw. in ergänzenden Arbeitsblättern auf meiner Homepage.

saatkorn.: Das moderne Arbeitsleben ist ja vielfach durch eine immense Informationsflut und einen (Social) Media Overkill gekennzeichnet. Du hast ja nun bei Bertelsmann auch einen Job, der viel von Dir abverlangt. Gibt es da nicht Momente, wo auch Du mit Deinem Zufriedenheits-Latein am Ende bist? Was sind dann Lösungsansätze für Dich?
Manchmal wünsche ich mir, der Tag hätte 36 Stunden. Nicht so sehr, weil ich zu wenig Zeit finde für das, was ich jetzt tue, sondern weil es noch viele andere Dinge und Projekte gäbe, die ich gerne in Angriff nehmen würde. Laut eines Online-Tests des Begründers der Positiven Psychologie, Martin Seligman, bin ich gegenwärtig zufriedener als etwa 90% meiner Mitmenschen. Ein Schlüssel dazu ist meines Erachtens, dass ich fast nur Dinge tue, die ich auch gerne tue: Das Coaching bietet mir z.B. einen erfüllenden Ausgleich zur manchmal stressigen Konzernwelt. Und in letztgenanntem Bereich betreibe ich sogenanntes „Job Crafting“: Ich versuche aktiv so auf meine Rollen und Aufgaben einzuwirken, dass hauptsächlich Tätigkeiten übrig bleiben, die mir Freude bereiten und die nah an meinen persönlichen Stärken liegen. Natürlich bleiben immer ein paar „Ätz-Themen“, wenn man in einem Großkonzern Verantwortung übernimmt. Aber ich habe den Job derzeit so „gecraftet“, dass dieser Anteil gefühlt unter 20 Prozent liegt. Ansonsten: Ich bin glücklich verheiratet; das hat wissenschaftlich nachgewiesen einen positiven Effekt – für die ersten paar Jahre! 😉

saatkorn.: Kann man die „Lizenz zur Zufriedenheit“ auch auf einer organisationalen Ebene und nicht nur auf individueller Ebene anwenden?
Mein Buch beruht im Kern auf der sogenannten Positiven Psychologie (nicht zu verwechseln mit „positivem Denken“, esoterischen Konzepten a la „Bestellungen beim Universum“ etc.). Es gibt seit etwa 10 Jahren auch Forscher, die die Erkenntnisse dieser Fachrichtung auf Unternehmen anwenden. Das läuft dann unter Labeln wie „Positive Organizational Scholarship“, „Positive Leadership“ oder einfach „Positive Management“. Die Prinzipien dahinter sind die gleichen, die auch auf individueller Ebene gelten, z.B. „Förderung positiver Emotionen“ (statt: Vermeidung von Stress), „Fokussierung auf Stärken der Mitarbeiter“ (statt: Behebung von Schwächen), oder „Ermöglichung von Selbstbestimmung und Sinnerleben“ (statt: Fokus auf extrinsische Motivatoren wie z.B. Boni). Es gibt da mittlerweile sehr viel handfeste Forschung. Vordergründiges wie z.B. die Tatsache, dass zufriedenere Mitarbeiter weniger oft krank sind. Aber auch Dinge, bei denen man erst einmal um die Ecke denken muss: Z.B. mehren sich die empirischen Hinweise, dass zufriedenere Mitarbeiter im Mittel kreativer sind. Barbara Frederickson, eine der „Stars“ der Positiven Psychologie, behauptet, dass das sogar der ureigene evolutionäre Zweck von positiven Emotionen ist: Den Geist öffnen, sich neuen Dingen zuwenden, Möglichkeiten erkennen. Sie nennt das die „Broaden & Build“-Theorie.

saatkorn.: Was sind Deine persönlichen 3 „Zufriedenheits-Tipps“?
Im Grunde lässt sich das alles schon bei den alten Griechen finden:

1) Gnothi seauton (Erkenne Dich selbst!): Finde heraus, wer du wirklich bist! Was sind deine Stärken, was sind deine Sehnsüchte, wofür brennst du? Und wenn du die Antworten hast, integriere das Gefundene so gut wie möglich in dein Leben.

2) Epimeleia heautou (Selbstsorge): Der Mensch ist im Kern das einzige (sich) selbst-bewusste Wesen. Er kennt die Konzepte Vergangenheit und Zukunft – und den „Möglichkeitsraum“, den die Zukunft mit sich bringt. Damit einher geht eine permanente Spannung zwischen dem Menschen, der wir gerade sind, und jenem, der wir sein könnten. Es gibt sozusagen immer ein Upgrade, ein Version 2.0 unserer selbst. Das nicht als Last, sondern als lohnenswerte Herausforderung zu begreifen, offen zu bleiben, sich immer wieder neue Ziele zu setzen, Veränderung zu „umarmen“: All das macht uns nachweislich zufrieden.

3) Eine gute Balance finden zwischen Hedonismus (das schöne Leben) und Eudaimonismus (das tugendhafte Leben). Hier sind die Psychologen unserer Zeit den alten Griechen tatsächlich mal einen Schritt voraus: Vor 2.500 Jahren hat man sich bis aufs Blut bekämpft um die Frage, was denn ein gelungenes Leben ausmache: Möglichst viel Genuss und Sinnenfreude (à la  Aristippos von Kyrene) oder doch möglichst viel Sinn, Tugendhaftigkeit und Dienst für das „große Ganze“ (à la Aristoteles)? Aus Langzeitstudien wissen wir heute: Es braucht beides für nachhaltiges Wohlbefinden. Zu viel Hedonismus ohne ausreichend Eudaimonismus führt zur Verflachung, und andersherum wird das Leben sehr leicht leidenschaftslos und blutarm. Die Mischung macht’s! In diesem Sinne: Denken Sie regelmäßig über den Sinn des Lebens nach. Aber trinken Sie dabei einen guten Riesling…

 saatkorn.: Nico, vielen Dank für das Interview und viel Erfolg mit der „Lizenz zur Zufriedenheit“!

Das Buch kannst Du als saatkorn. LeserIn übrigens auch gewinnen. Geh dazu einfach auf die saatkorn. facebook Seite und gib Deinen persönlichen „Zufriedenheits-Tipp“ ab. Der Autor höchstselbst wird bis zum 23. Dezember 2 glückliche Gewinner küren und diese mit der signierten Erstausgabe seines Werkes versorgen!  😉

 

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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