Generation Praktikum: Studie von „meinpraktikum.de“

Stefan Peukert von meinpraktikum.de

Generation Praktikum: Studie von „meinpraktikum.de“

Vor ungefähr einem Jahr habe ich mich einmal mit den Machern von „meinpraktikum.de“ getroffen. Damals war ich bereits begeistert vom Enthusiasmus. Damals noch Student, ist Stefan Peukert heute einer der vollamtlichen Geschäftsführer der employour GmbH, die „meinpraktikum.de“ entwickelt und umsetzt. Er hat meiner Meinung nach eine Menge Spannendes zu erzählen. Kurz vor dem Relaunch des Portals – hier wird es in Kürze einen weiteren Bericht geben – habe ich mit ihm nochmal über den „Praktikantenreport 2012“ gesprochen – einer Studie aus den über 5.000 Bewertungen auf der Plattform. Auf geht’s:

saatkorn.: Was verbirgt sich hinter dem Praktikantenreport 2012? Wie ist der Report zu Stande gekommen?
Am Anfang stand erst einmal die Idee, mit meinpraktikum.de ein Bewertungsportal für Praktika anzubieten, um endlich Transparenz in den Praktikumsmarkt zu bekommen. Da hatten wir noch gar nicht an die Möglichkeit einer statistischen Analyse gedacht. Das Projekt ging durch die Decke, so dass wir bereits im ersten Jahr über 5000 Bewertungen sammeln konnten. Auf dem Portal war zwar zu sehen, ob die Praktikanten bei Lufthansa und Co. zufrieden waren,  wir konnten jedoch noch keine generelle Aussage zur Zufriedenheit von Praktikanten in Deutschland geben.  Das sollte sich ändern. Also haben wir die riesige Datenmenge aus 5000 Bewertungen ausgewertet und konnten so auf Grundlage der größten Datenbasis, die je zu diesem Thema erhoben wurde, eine Studie heraus bringen.

saatkorn.: Was sind die wesentlichen Erkenntnisse aus dem Report?
Zunächst einmal haben wir den Mythos „Generation Praktikum“ entzaubert. Über 65,8 Prozent der Praktikanten, die bei uns bewertet haben, waren insgesamt zufrieden mit ihrem Praktikum. Die Zeit als Praktikant wird also von der Mehrheit nicht als negativ empfunden. Dennoch lohnt sich ein differenzierter Blick auf die Ergebnisse. Insbesondere die Bezahlung liegt mit durchschnittlich 290 Euro im Monat deutlich unter den in anderen Studien ermittelten Werten. Über 40 % der bewerteten Praktika waren sogar unvergütet. Wir konnten auch feststellen, dass sich die schlechte Bezahlung negativ auf die Gesamtbewertung des Praktikums auswirkt.

Studie Praktikantenreport 2012

Anders sieht es übrigens bei der Arbeitszeit aus. Selbst ein 10-bis-12-Stunden-Tag beeinflusst die Praktikantenzufriedenheit nicht grundsätzlich schlecht. Die durchschnittliche Arbeitszeit liegt erwartungsgemäß ohnehin bei ca. 8 Stunden.

Es lohnt sich im Übrigen auch ein Blick auf die einzelnen Bewertungskategorien. Während die Arbeitsatmosphäre im Praktikum von über 80 % der Bewerter gelobt wird, kritisieren fast 60 % die Karrierechancen im jeweiligen Unternehmen. Oft geben die Bewertenden an, dass nur sehr wenige ehemalige Praktikanten in der Firma arbeiten. Dies ist insbesondere deshalb überraschend, da viele Unternehmen Praktika anbieten, um den Nachwuchs frühzeitig an sich zu binden. Dieses scheint nicht vielen Unternehmen tatsächlich zu gelingen.

saatkorn.: Lassen sich aus dem Report Verbindungen zum Thema „Generation Y“ ablesen? – Gehen die Unternehmen auf die Bedürfnisse der Praktikanten in der Regel ein, oder gibt es erhebliche Abweichungen?
Der Report basiert zum Großteil auf Bewertungen der „Generation Y“, da sie in den letzten zwei Jahren abgegeben wurden. Es lässt sich feststellen, dass Unternehmen in Sachen Praktikantenbetreuung (78 % sind zufrieden mit der Betreuung) vieles richtig machen und deshalb auch gute Bewertungen erhalten. Eines der wichtigsten Kriterien für die Zufriedenheit ist jedoch die Bezahlung. Hier gibt es Nachholbedarf.

Und auch bei Praktika für die unter 20-Jährigen gibt es zahlreiche Kritikpunkte: Das zeigt sich daran, dass Schul- und Vorpraktika – also Praktika, die vor dem Studium stattfinden – deutlich schlechter bewertet wurden, insbesondere was die Aufgaben im Praktikum angeht. Viele Unternehmen müssen den Umgang mit unerfahrenen und jungen Praktikanten verbessern, wenn sie auch diese langfristig für das Unternehmen begeistern wollen.

saatkorn.: Gibt es Branchenunterschiede bei der Behandlung und Bezahlung von Praktikanten?
Ja, es gibt sehr große Branchenunterschiede. Und auch hier zeigt sich wieder, dass schlechte Bezahlung oft mit schlechter Bewertung einhergeht. Schlecht bezahlt und schlecht bewertet wurden beispielsweise Praktika im öffentlichen Dienst, im Gesundheits- und im Gastronomiebereich. Im öffentlichen Sektor sowie im Bildungsbereich werden außerdem die Karrierechancen im jeweiligen Praktikumsbetrieb noch schlechter eingeschätzt als in den anderen Branchen. In der Metallverarbeitung fühlen sich die Praktikanten beispielsweise am wenigsten wertgeschätzt.

Positiv bewertet werden zum Beispiel, außer bei Vorpraktika, die Aufgaben in den technischen Berufen. In der Forschung, der Pharmaindustrie und der Luftfahrtindustrie ist man vor allem mit der Arbeitsatmosphäre zufrieden.

saatkorn.: Kann man beantworten, welche Branchen aus Sicht der Praktikanten besonders attraktiv oder unattraktiv sind?
Spitzenreiter in Sachen Praktikantenzufriedenheit ist die Konsumgüterindustrie mit 88 % zufriedenen Praktikanten. Auch in der Versicherungsbranche, in der Telekommunikations- und Internetbranche und bei Beratungen gibt es einen hohen Anteil an zufriedenen Praktikanten.

Das Schlusslicht in Sachen Gesamtbewertung bildet die Metallverarbeitungsindustrie. Hier waren fast 60 % aller Praktikanten unzufrieden, was sicherlich auch an der großen Masse an Vor- und Grundpraktika von angehenden Ingenieursstudenten liegt. Hier kann also auch eine falsche Einschätzung des Berufs an sich zum negativen Eindruck geführt haben. Ansonsten schneiden – wie bereits erwähnt ­– der öffentliche Sektor, der Gastronomie- und der Gesundheitsbereich recht schlecht ab.

saatkorn.: Was waren für Dich persönlich die überraschendsten Erkenntnisse aus dem Report?
Im Positiven vor allem die hohe Quote an guten Bewertungen. Bewertungsportalen im Internet wird ja oft nachgesagt, dass sich vor allem Leute auslassen, die schlechte Erfahrung gemacht haben. Das ist bei uns nicht so, auch weil wir einen großen Teil der Bewertungen vor Ort bei den Hochschulen einsammeln und so die Qualität sicherstellen.

Im Negativen hat auch mich der hohe Anteil an nicht oder schlecht bezahlten Praktika überrascht. Das ist weniger ein Problem für Ingenieure und Wirtschaftsstudenten (weswegen auch mir das Problem vorher nicht so bewusst war), als mehr für Studenten, die Praktika in sozialen und Gesundheitsberufen machen

saatkorn.: Worauf müssen sich die Unternehmen angesichts der demographischen Entwicklung und in Bezug auf Praktikanten einstellen? Wird es schwieriger, Praktikanten zu bekommen? Muss man demnächst tiefer in die Tasche greifen oder das Aufgabenspektrum überdenken?
Der sogenannte  „war of talents“  ist ja bereits in aller Munde. Unternehmen werden immer früher anfangen, geeignete Nachwuchskräfte für sich zu begeistern. Der Kampf um die Köpfe von morgen wird definitiv härter.  Unternehmen werden in Zukunft wohl etwas mehr ausgeben müssen, um sich bei den studentischen Talenten schon früh zu positionieren. Aber es lohnt sich auch. Die Kosten, einen passenden Praktikanten zu gewinnen und Ihn anschließend langfristig ans Unternehmen zu binden, betragen nur einen Bruchteil dessen, was es kosten würde, ihn später am Markt als teuren Professional einzukaufen.

Unternehmen sollten sich vor allem authentisch darstellen und das halten, was in den tollen Stellenanzeigen und Imagekampagnen versprochen wird. Alles andere führt schnell zu Enttäuschung auf beiden Seiten.

Die große Herausforderung für Unternehmen wird es aber nicht nur sein, gute Praktikanten zu bekommen. Sie müssen vor allem etwas dafür tun, die Praktikanten, die sie beschäftigen, auch über das Praktikum hinaus an die Firma zu binden. Bisher ist der Anteil der ehemaligen Praktikanten in vielen Unternehmen sehr gering. Auch aus unserer Erfahrung heraus, gibt es bisher nur wenige Konzepte, um ein echtes Netzwerk aufzubauen und den Kontakt mit den ehemaligen Praktikanten zu halten.

Und natürlich darf ein Partnerprofil bei meinpraktikum.de in keinem Recruitingmix fehlen 😉

saatkorn.: Stefan, ganz herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Erfolg mit „meinpraktikum.de„!

Den gesamten Report findest Du hier als Download.

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

Ein Gedanke zu „Generation Praktikum: Studie von „meinpraktikum.de“

  • 9. November 2012 um 13:08
    Permalink

    Interessante Story.
    Meiner Erfahrung nach ist es aber nicht ganz so einfach. Seit vier Monaten nun mache ich Praktikas in verschiedenen Firmen. Keine davon zahl mir irgend etwas. Daher wäre es vielleicht angebrachter eine Meldung unter dem Titel „Generation Praktikum- unbezahlt mit wenig Perspektive“.

    Antwort

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