#RC23 FESTIVAL – LEHNEN allein zu Haus

#RC23 Festival: Lehnen allein zu Haus

Der SAATKORN-Takeover zum #RC23 FESTIVAL

Cliff Lehnen übernimmt für zwei Tage SAATKORN. Live vom #RC23 Festival in Berlin. Mit Lehnen allein zu Haus könnt Ihr das #RC23 Festival hier auf SAATKORN fast live mitverfolgen oder eben nacherleben!

Cliff Lehnen klärt auf:

Ihr kennt die Situation: Man fährt im Sommer zwei, drei Wochen in den Urlaub und klingelt bei den Nachbarn freundlich durch, ob sie sich wohl der daheimgebliebenen Pflanzen und der anlandenden Post annehmen und auch sonst nach dem Rechten schauen würden. Das in etwa ist mir mit diesem Blog passiert. Hausherr Gero hat mich gefragt, ob ich nicht — während er auf dem #RC23 Festival weilt und als Gastgeber alle Hände voll zu tun hat — sein Saatkorn-Blog hegen und vor Ort als Live-Berichterstatter wirken möge.

Seither geht mir dieser Gedanke vom Nachbarn, dem man den Schlüssel für sein Reich überlässt, nicht aus dem Sinn. Im Dorf meiner Neunzigerjahre-Kindheit nutzte die bereits jugendlich gewordene Tochter aus Hausnummer 5a das schlüsselfertige Vertrauen der mehrwöchig in Übersee weilenden Bewohner von Hausnummer 6 gern für die Ausrichtung von noch heute unter (inzwischen selbstbewusst auf die 50 zugehenden) Beteiligten als „legendär“ betitelten Partys. Ich war damals leider zu jung, um mitzutun. Aber das aufgeregte Stimmengewirr im Garten und der wummernde Bass aus dem Keller klingen mir noch in den Ohren.

Gero, mein Nachbar

Gut zehn Jahre bin ich nun als HR-Fachjournalist unterwegs. Seit 2017 war ich Chefredakteur des HR-Magazins „Personalwirtschaft“, ab 2021 verantwortlich für die gesamte HR-Themenwelt im F.A.Z.-Fachverlag. Diese Ämter habe ich Ende März 2023 selbstbestimmt niedergelegt. Ohne jeden Ärger, in guter Kommunikation mit dem Verlag, aber mit Lust auf neue Welten.

Wenn Gero und ich also publizistische Nachbarn waren, dann sah das etwa so aus: Ich saß im Siebzigerjahre-Bungalow: wertig, gediegen, gesetzt. Eine gute, gewachsene Nachbarschaft. Eine Handvoll anderer Häuser, freistehend, luftig, gut sortiert. Man kennt sich, man kümmert sich, man lässt sich in Ruhe. Gepflegte Gärten, renovierte Fassaden. Ruhig, sicher, aufgeräumt — für manche und manchen vielleicht etwas angestaubt. Langweilig, womöglich.

Schon als ich vor über zehn Jahren in diesem Viertel einzog, hatte man mir von einigen Burschen — und im Wesentlichen waren es wirklich Männer — erzählt, die am Rande der etablierten Siedlung ihr eigenes Ding machten. Ein wilder Campingplatz sozusagen. Eine recht junge Truppe war das, bis tief in die Nacht saß man dort am Feuer, feiernd durchaus, vielfach aber auch in tiefer, inhaltlicher Debatte. Wenn man stritt, dann immer in der Sache. Und kam einmal ein entrüsteter Nachbar aus der „alten“ Welt, der die Lautstärke oder den Ton mokierte, stand man Seite an Seite. Man half sich gegenseitig.

Zahlreiche etablierte Anrainer waren pikiert. Sie lästerten hinter vorgehaltener Hand. Viele ignorierten die Truppe bewusst. Irgendwann gehe denen schon die Puste aus. Ich aber stand manchmal abends mit meinem Cognacschwenker im Garten, den leichten Sommerpulli locker über die Schultern geworfen, und lauschte dem, was dort am Lagerfeuer fabuliert wurde. Ja, sie waren laut. Ja, manch einer wollte schriller, schneller, toller sein als die anderen. Aber unterm Strich wurde deutlich: Wenn man den Kerlen zuhört und eine echte Chance gibt, ist ganz schön viel Sinnvolles dabei.

Wenn auch nur selten weibliche Stimmen erklangen (was mich zugegebenermaßen aus verschiedenen Gründen ein wenig betrübte), schnappte ich mir eines Tages — ganz im Stile der anderen Gäste, die zu den Lagerfeuerpartys kamen — einen Sechserträger Bier und ging rüber. Setzte mich dazu. Gegenseitiges Beäugen, Beschnuppern. Einer aus der „alten“ Nachbarschaft? Einfach so? Ohne Anliegen? Ohne Beschwerde? Um mitzufeiern und gemeinsam zu diskutieren? Das war neu, das war anders. Doch es wurde respektiert.

Schnell fiel mir auf, dass Gero in diesem Kreis der neuen Nachbarn eine besondere Rolle spielte: der Elder Statesman unter den jungen Wilden. Er war einer der ersten auf dem Platz gewesen. Einer, der schon vor seinem Umzug hierher viel bewegt hatte. Er war nicht der, der am lautesten sprach, aber der, auf den alle hörten. Weil er Ahnung hatte — und häufig spannende Gäste. „Saatkorn“ stand auf seinem Camper, und das war irgendwie gut.

SAATKORN live vom #RC23 FESTIVAL

Was ich mit dieser etwas langatmigen Anmoderation sagen will: Dass ich als langjähriger Vertreter der verlagsgebundenen HR-Fachmedienwelt nun zwei Tage lang freimütig Geros Blog bespiele, ist gar nicht unbedingt selbstverständlich. Noch vor wenigen Jahren wäre die Distanz zwischen den beiden Hoods — der Verlagsmedien und der Blogger — vermutlich zu groß gewesen. Uns Journalisten ist stets die profunde Recherche wichtig, das gewogene Urteil, die saubere Korrektur, der fehlerfreie Satz. Wir holen viele Stimmen ein, um zu einem Urteil zu kommen. All das braucht ein Blog gar nicht. Hier schreibt eine Person allein, es geht um Expertise, Meinung, Debatte, um Zuspitzung und Tempo. Wir werden sehen, ob mir all das in diesen zwei Tagen gegeben ist.

Und so ganz stimmt das oben so bunt ausgemalte Bild der Lehnen’schen Ferienvertretung übrigens gar nicht. Denn Gero urlaubt natürlich nicht; vielmehr ist er als Gastgeber des #RC23-Festivals schlicht an allen Ecken und Enden gefragt. Ich sorge derweil für das redaktionelle Housekeeping bei Saatkorn in Form eines kleinen Liveblogs. Ich bin vor Ort in Berlin und wähle die Inhalte aus, die ich für besonders wertvoll halte. Persönlich kuratiert, eigenhändig geschrieben, und ganz sicher ChatGPT-frei: Ehrenwort!

In diesem Sinne: Welcome to the other side! Gero ist aus dem Haus, das Feuer vor dem Camper prasselt. Die Party kann beginnen:

6.6., 10:45 Uhr: And so it begins…

Die Sonne lacht, der Spandauer TEC Event Campus ist schon fast so gut gefüllt wie die Wuhlheide gestern Abend, wo nicht nur der Wu-Tang-Clan seine Aufwartung machte, sondern auch RZA und GZA des deutschen Recruitings. Es ist also alles bereitet für das #RC23 FESTIVAL und damit zwei Tage, die man im Wortsinne pickepackevoll nennen darf: Über 180 Speaker*innen referieren und debattieren auf sieben Bühnen. Rund 1.000 Teilnehmende kommen heute und morgen zusammen, um über Recruiting und Retention zu diskutieren. Das ist ein Pfund.

Gleich geht's los: #RC23 FESTIVAL Warteschlange (Foto: Kay Herschelmann)
Gleich geht’s los: #RC23 FESTIVAL Warteschlange (Foto: Kay Herschelmann)

Schon die Konstruktion der Veranstaltung treibt also demjenigen, der sich (möglicherweise fahrlässig!?) darauf eingelassen hat, von diesem, nun ja, Veranstaltungsmonstrum „live“ zu bloggen, eine in etwa paritätisch verteilte Zahl an Schweißperlen und Sorgenfalten in die Stirn. Wie, bitteschön, soll ich mich halbstündig siebenteilen und dann auch noch Sinnvolles darüber berichten? Um es mit Kevin McCallister höchstpersönlich zu sagen, dem wir ja den lustigen kleinen Titel dieses Blog-Experiments zu verdanken haben: „Das geht doch gar nicht!

Die Devise kann also nur sein: Auswählen. Kuratieren. Ausblenden. Fokussieren. Weglassen. All das also, was man zum glücklichen Leben ohnehin öfter tun sollte. The Joy of Missing Out. JOMO statt FOMO. (Habe ich mir gerade ganz selbst ausgedacht und war kurz stolz; leider war wie so oft jemand schneller: Tanya Dalton nämlich, aber das nur nebenbei.) Also: Wer möglichst viel und lückenlos mitbekommen will, schaue begleitend gern in die folgenden beiden Livestreams (über deren Programmgestaltung ich allerdings so wenig Verfügungsgewalt habe wie Gero über das, was ich hier fabriziere).

Um 11 Uhr geht’s los. Let’s see where this goes.

6.6., 11 Uhr: Start auf der Hauptbühne mit GERO 

Der Gong ertönt. Die HR-Haus-und-Hof-Kapelle „Onkel Berni“ geht standesgemäß in Stellung. Kleiner Rückstau an der Tür, daher verzögert es sich noch ein paar Minuten. Dann ist es soweit: Berni legt los. Und wenig später schon steht Gero unter Applaus auf der Bühne. „Das gibt’s doch gar nicht“, sagt er, merklich gerührt ans Publikum gerichtet. „Ausverkauft! Danke dafür“. Die Stimme ist ein bisschen shaky, zugegeben, aber will’s ihm verdenken als Gastgeber eines 1.000-Menschen-Events?

Full House beim #RC23 FESTIVAL (Foto: Cliff Lehnen)
Full House beim #RC23 FESTIVAL (Foto: Cliff Lehnen)

Er macht klar: „Das ist hier keine reine Spaßveranstaltung.“ Natürlich dürfe es Spaß machen, zu arbeiten. „Und wenn Spaß die Grundlage für Erfolg ist – umso besser.“ Seit 2018 in Düsseldorf ist die Veranstaltung von 300 auf 1.000 Köpfe gewachsen. „Seitdem hat sich irrsinnig viel entwickelt“, sagt Gero und meint es nicht nur auf das #RC23 FESTIVAL bezogen, sondern beruft sich auf Demografie, Digitalisierung und gesellschaftlichen Wertewandel. „Open your mind to Recruit & Retain”, fordert er im Titel seiner Keynote. Denn um nicht weniger geht es in den kommenden zwei Tagen: um grundlegend neue Wege, Menschen für Arbeitgeber zu gewinnen und zu binden.

Der Event hat sich über die Jahre von der reinen Recruiting- zur Recruiting-/Retention-Konferenz entwickelt. Gero fasst die fünf wichtigsten Punkte beim Thema Mitarbeiterbindung zusammen: „Der wichtigste Bindungsfaktor ist heute die Unternehmenskultur. Zweitens: Die Entlohnung muss stimmen. Drittens geht es Kandidaten um Work-Life-Balance, deutlich jenseits der alten Worthülse. Viertens um emotionale Bindung, und fünftens um Führung.“

Auch das Thema HR-Tech soll eine große Rolle spielen beim Event, immerhin hätten zwei von drei Personaler*innen Probleme, einen Überblick der HR-Tech-Anbieter zu gewinnen. Auf der HR-Tech- und Startup-Stage gibt es einen Pitch nach dem anderen, zahlreiche Tech-Unternehmen stellen sich vor.

„Das Leugnen des Fachkräftemangels war vor einigen Jahren viel ausgeprägter“, sagt Gero. „Das zu akzeptieren, ist das eine. Und dann aber wirklich etwas zu verändern, ist etwas anderes.“ Das sei nicht notwendigerweise eine Frage der Unternehmensgröße. Zwar hätten große Unternehmen mehr Budget und Expert*innen, um Veränderung zu bewirken – jedoch auch ein tradiertes Selbstverständnis als funktionierende Arbeitgebermarke.

Gero spricht in der #RC23 FESTIVAL Eröffnungs-Keynote (natürlich) auch über KI
Gero spricht in der #RC23 FESTIVAL Eröffnungs-Keynote (natürlich) auch über KI (Foto: Kay Herschelmann)

„Die technologischen Säue, die durchs Dorf getrieben werden, werden immer größer und immer schneller. KI rutscht in den Mainstream, KI findet überall statt. Und wird uns die nächsten Jahre intensiv beschäftigen. Wir müssen da eng dranbleiben. Wer Richtung Zukunft arbeiten will, kann dem gar nicht entgehen.“ Auch das Thema People Analytics habe an Fahrt aufgenommen. „Wir können heute Aspekte messbar machen, die vor wenigen Jahren nicht messbar waren.“

„Ihr sollt rumgehen!“, sagt Gero. „Wenn ihr mit einem Kopf voller Impulse nach Hause geht, haben wir alles richtig gemacht.“ Und: „Schaut euch die Cases an. Schlau geklaut ist oft besser als schlecht selbstgemacht.“ HR habe es selbst in der Hand, im Unternehmen wirksam zu werden. Es dabei vor allem um Risikobereitschaft. Darum, im Unternehmen mit Zahlen, Daten und Fakten messbar zu werden. Und auch Scheitern in Kauf zu nehmen.

6.6. 11.45 Uhr: die große Arbeiterlosigkeit mit Dr. SEBASTIAN DETTMERS

Mit leichtem Verzug entert Stepstone-CEO Sebastian Dettmers die Bühne. Dettmers ist heute ganz explizit als Autor vor Ort („Es ist etwas ganz besonderes, ein Buch zu schreiben!“) und rekapituliert zunächst einmal den fraglosen medialen Erfolg, den sein Werk „Die große Arbeiterlosigkeit“ 2022 hatte: Plasberg, Lanz, Precht, alle publizistischen Schwergewichte haben darüber berichtet. Wir kleinen HR-Fachjournalisten natürlich auch. Das Buch war der große PR-Coup des Sommers 2022, als Restaurants, Kneipen und Hotels wegen Arbeitskräftemangels schlossen und Flughäfen vor ihren Passagieren kapitulierten.

Mit "Arbeiterlosigkeit" ein eigenes Wort geschaffen: Dr. Sebastian Dettmers (Foto: Kay Herschelmann)
Mit „Arbeiterlosigkeit“ ein eigenes Wort geschaffen: Dr. Sebastian Dettmers (Foto: Kay Herschelmann)

Dettmers zeigt die Zusammenhänge zwischen Demografie, Urbanisierung und Wohlstand sowie sinkenden Geburtenraten auf, schaut nach Nigeria, nach Äthiopien, nach Indien. Dann switcht er nach Japan, nach China, in alternde asiatische Gesellschaften, die längst auf staatlicher Ebene darauf hinwirken, dass ihre Bevölkerung sich wieder eifriger fortpflanzt.

Er landet beim Thema qualifizierte Zuwanderung: „656 Pflegekräfte sind 2022 zugewandert. So schlecht sind wir in diesem Bereich! Wir müssen da viel offener werden. In Kanada und den USA haben Kinder von Einwanderern die gleichen Chancen auf Bildung und Einkommen. Hierzulande ist das nicht der Fall.“

„Wir brauchen ein radikal neues Bildungssystem“, fordert Dettmers. „Das heutige System ist auf Industrialisierung ausgelegt, nicht auf Digitalisierung.“ Und: „Lasst uns am Traum von weniger Arbeit festhalten – doch wir werden ihn uns hart erarbeiten müssen.“

Zwei intensive Überblicks-Impulse zum Einstieg, die Lust auf mehr machen. Einige kleine Wermutstropfen derweil: Vor allem gegen Ende von Sebastian Dettmers‘ Vortrag wird es doch sehr unruhig im hinteren Teil, weil viele Teilnehmer*innen schon den Raum wechseln und der angekündigte Break dahinschmilzt. Aber darüber dürfe man nicht unken, hatte Gero schon eingangs vorgewarnt, das sei nun einmal bei Festivals so: laut, unruhig, wuselig. Na gut. Dann aber doch noch etwas anderes: Auf den drei Hauptbühnen stehen bis zum ersten Break um 12 Uhr tatsächlich sieben Männer und null Frauen. Das war sicher weder beabsichtigt noch böser Wille, wirkt aber zum Einstieg etwas, nun ja, unelegant. Der Fairness halber sei erwähnt, dass zwischen 12.15 Uhr und 13.30 Uhr auf denselben drei Bühnen neun Speakerinnen zu sehen sein werden und nur zwei Kerle. Dann passt es ja wieder, und damit sei auch das nun verziehen.

6.6., 13.00 Uhr: mit KERSTIN WAGNER und Deutsche Bahn CHRO MARTIN SEILER

Jetzt stehen zwei richtige HR-/Recruiting-Stars auf der Bühne – der eine virtuell, die andere ganz real. Deutsche-Bahn-CHRO Martin Seiler ist virtuell zugeschaltet in Lebensgröße als Hologramm, Recruiting-Chefin Kerstin Wagner ist vor Ort dabei. Die beiden haben, wie Gero richtigerweise betont, „jeden HR-Preis gewonnen, den es zu gewinnen gibt“. Er interviewt die Beiden, ist jetzt deutlich aufgetaut, kann seine fachliche Expertise und detaillierte Vorbereitung nun voll ausspielen. Und die langjährige persönliche Beziehung zu beiden Protagonist*innen natürlich auch.

Seiler berichtet über den strategischen und kulturellen Rahmen der HR-Arbeit der DB. „Die Nachhaltigkeit  und Sinnhaftigkeit unseres Tuns ist völlig klar, unser Purpose ist eindeutig. Wir sind auch in der Pandemie keinen Deut von unserer Strategie abgewichen, haben nicht nachgelassen.“ Drei Jahre hat Seiler Krisenstab der DB geleitet, könnte damit eigene Bücher füllen. Gerade sind für ihn die laufenden Tarifgespräche das große Thema. „Die Mitarbeitenden warten zurecht auf Lösungen, zugleich geht es darum, Zukunft zu sichern.“ Die Strategie bleibe unangetastet, laufe auch in dieser Phase ungerührt weiter. „Wir sind in einer riesigen Transformation, haben in den letzten Jahren 500.000 neue Mitarbeitende eingestellt. Der Arbeitsmarkt hat sich total verändert und gewandelt, die Anforderungen an moderne Arbeitgeber haben sich stark entwickelt.“

#RC23 FESTIVAL CHRO Talk mit Martin Seiler, flaniert von Kerstin Wagner und Gero Hesse (Foto: Kay Herschelmann)
#RC23 FESTIVAL CHRO Talk mit Martin Seiler, flaniert von Kerstin Wagner und Gero Hesse (Foto: Kay Herschelmann)

Auch muss sich Seiler dem Nervthema Pünktlichkeit stellen. „Da brauchen wir nicht drumherum reden: Wir sind nicht zufrieden. Wir wollen bessere Qualität abliefern und diskutieren das im Vorstand intensiv.“ Man habe 100 ICEs mehr im Einsatz als 2019, zugleich sei die Infrastruktur alt und überlastet. „Das ist das Grundproblem.“ Und das Personal? „Manchmal haben wir in Einzelfällen Engpässe, etwa mal an einem Stellwerk – und wenn das so ist, stinkt es uns natürlich. Aber wir haben kein strukturelles Personalthema.“ Künftig werde es darum gehen, noch mehr zu vereinfachen, zu automatisieren, zu digitalisieren. „Der Arbeitsmarkt und die Demographie, geben etwas anderes nicht her.“

Mit 1.000 Mitarbeitenden rekrutieren Kerstin und ihr Team pro Jahr inzwischen 25.000 Mitarbeitende. Der Job hat sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich gewandelt. „Ich habe heute ein Analytics-Team, ein Tech-Tam, Recruiter*innen für jede Zielgruppe, für 500 unterschiedliche Jobprofile.“ Technik werde immer wichtiger: „Generative AI bewegt uns alle gerade, aber wie kann sie uns helfen, den Bewerbungsprozess attraktiver zu machen? VR, AR, Metaverse – das wird jetzt reif. Und natürlich: Data, Data, Data!“

„Ganz wichtig sind Mut und Innovationen“, sagt Kerstin Wagner. „Keine Idee ist zu verrückt – aber man muss sie einfach mal aussprechen. Das muss man miteinander üben, sich immer wieder trauen. Ich will lieber vor der Welle sein als dahinter.“ Martin Seiler ergänzt: „Ich versuche, immer wieder einen Perspektivwechsel vorzunehmen. In eine ganz andere Welt einzutauchen. Das inspiriert, das fordert heraus.“

6.6., 16.00 Uhr: #femaleHRexcellence und 4 Tage Woche mit MARTIN GAEDT

Puh! Der geneigte Ersatzblogger ist leicht erschöpft. Dieses 7-Bühnen-im-Auge-behalten, zwischendurch moderieren, mal was essen und dann ja auch noch was schreiben: kein Zuckerschlecken! Man kommt irgendwie zu nix (wie übrigens auch Tommy Jaud in seinem durchaus unterhaltsamen jüngsten Werk). Den Gesprächspartner würgt man mitten im Dialog hektisch ab, um dann aber leider doch zu spät an der nächsten Bühne anzukommen. Nun ja.

So habe ich eben aufgrund der eigenen Verspätung und der akuten Fülle des Raums leider nur aus relativ weiter Ferne die Retention-Stage beobachten können, wo Anja Lüthy, Charlotte von Riess, Liza Follert und Friederike Baer das extrem wichtige Thema Lebensphasenorientierung bei weiblichen Mitarbeitenden diskutierten; wer dieses Thema als Unternehmen für sich erschließt, hat die Gelegenheit, massiv Potenziale zu heben. Gerade rausche ich ebenfalls etwas zu spät in die Präsentation von Demodern und PWC zum Metaverse. Notiz an mich selbst: Heute Morgen hatte ich doch noch viel härter Themen, Bühnen und Inputs selektieren wollen!?

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin
#femaleHRexcellence par excellence (Foto: Kay Herschelmann)

Also sei eine kurze Reflexion des Live-Bühnengesprächs mit Martin Gaedt zur Viertagewoche (14.30 Uhr) eingestreut. Ein absolut zeitgemäßes Thema, Gaedt hat 151 vornehmlich kleine Unternehmen gesprochen – Handwerker, Friseurbetriebe, Steuerberatungen und, und, und -, die bereits die Viertagewoche eingeführt haben. Man merkt im Dialog und in seinem Buch, wie angezündet Martin zu dem Thema ist. Mehr noch: Wenn man ihm zuhört und seine Texte hierzu liest, kann man sich eine künftige Arbeitswelt ohne Viertagewoche gar nicht mehr vorstellen.

Cliff Lehnen und Martin Gaedt sprechen über die 4 Tage Woche (Foto: Kay Herschelmann)

„Die Viertagewoche ist ein Erfolgsmagnet. Gesündere Mitarbeiter, schlankere Prozesse, mehr Bewerbungen – und ganz häufig auch mehr Umsatz“, berichtet Martin. Anderslautende Einwände von Finanzministern, Arbeitgeberpräsidenten und Wirtschaftsinstitutschefs lässt er nicht gelten. Sein Buch: sehr ermutigend, belebend, klare Leseempfehlung. Also: Ran da!

6.6., 19.00 Uhr: JÖRG BUCKMANN & FLORIAN SCHRODT

Lehnen mit Fischen und Fröschen: Jörg Buckmann und Florian Schrodt improvisieren beim Apéro im Retention Room

Glücklicherweise nette Begleitung im Retention Room: Anne Engelshowe zur Linken, Carl Hoffmann zur Rechten, was soll da schon noch passieren? Wie könnte es noch besser werden? Vorne rüsten sich die Kollegen Buckmann und Schrodt zum finalen Impuls des Tages: „Spritzigkeit, Retention & ein Apéro“. Das klingt gut, das klingt frisch und kühl, obwohl es im Raum nach zig Stunden Vortragswesen doch ein wenig warm vor sich hin muffelt.

Apropos muffeln: Etwas muffelig war die Stimmung hier und da auch in der letzten Pause im Angesicht des recht späten Dinners ab 19.30 Uhr und der noch späteren Party ab 22.00 Uhr. Nicht jede und jeder hatte in der Mittagspause das Glück des Autors dieser Zeilen: die letzte, wirklich allerletzte Currywurst des Tages um kurz vor 15 Uhr abzugreifen.

19:06 Uhr – Nun endlich Beginn der Session mit einem herzlichen „Zum Wohl!“ der Sessiongeber Buckmann und Schrodt. Im Hintergrund wummert von draußen die Metalband beim Soundcheck; auf dem Gang hinter uns schreit einer aus voller Kehle. Zwischendurch pfeifen auch die Mikros der Bühnenmenschen. Alles voll und ganz festivaltauglich.

Vor dem Aperol wurde gearbeitet: Jörg Buckmann und Florian Schrodt (Foto: Kay Herschelmann)

Buckmann und Schrodt improvisieren über den Bass der Schweden hinweg. In Schrodts neuer Company Medbase hat jüngst ein neuer CPO Einzug gehalten. Kultur wird selbstverständlich vorgelebt. Buckmann: „Stinkt der Fisch vom Kopf? Oder ist das Gegenteil der Fall?“ – Schrodt: „Er riecht fangfrisch!“

Von Fischen zu Fröschen. Buckmann berichtet, wie die Eat-the-Frog-Methode „beschwingte Stunden voller Power“ am Tagesanfang garantiert. Beim Aperol nach 19 Uhr im völlig überhitzten Raum gilt leider das Gegenteil. Schweiß. Schwerer Atem. Hoffmanns Wangen leuchten rot wie die Abendsonne.

Dann der Überraschungsmoment: Buckmann und Schrodt fordern bei circa 50 Grad Raumtemperatur zur Partnerübung! Das hatte keine*r erwartet. Lehnen ermattet. Doch Hoffmann und Engelshowe blühen auf, sind jetzt plötzlich wie ausgewechselt: in angeregter Partnerarbeit.

Ad hoc Workshopstimmung. Anja Lüthy auch zu fortgeschrittener Stunde noch in Hochform. Die BVG berichtet von Arbeitszeitverkürzung. Eine dritte Teilnehmerin möchte individualisierte Benefits aufbauen: „Von zehn Schritten haben wir zwei getan.“ Eine Teilnehmerin namens Kathrin verweist auf die Abschaffung aller Strukturen: „Wir sind employee-owned. Führungsarbeit ist verteilt.“ Buckmann: „Und wie funktioniert das?“ Kathrin: „Fantastisch!“

Wieder schreien sie auf dem Gang. Eine Sirene ertönt. Tagesfinale im Nebenraum. Dort nun hörbar Ausnahmezustand. Schrodt fragt uns passend: „Was ist euer Lowlight im Jahr?“ Hoffmann scheint nun zu glühen. Buckmann echauffiert sich über die geradezu „perversen“ Strukturen des Jahresgesprächs in mancher Organisation. Und zeigt dann, wie es anders laufen kann. Mit Themenkarten, individualisiert, wertschätzend. „So macht man Lowlights zu Highlights.“ Im Nebenraum Gejohle.

Echte Festivalstimmung bei und nach Royal Republic auf dem #RC23 FESTIVAL (Foto: Kay Herschelmann)
Echte Festivalstimmung bei und nach Royal Republic auf dem #RC23 FESTIVAL (Foto: Kay Herschelmann)

7.6., 09:15 Uhr: Wer feiern kann, muss auch arbeiten können 😉

„Wer feiern kann, muss auch arbeiten können.“ Die Stimme mag noch etwas belegt sein, doch Marcel Rütten macht’s vor: unter den Letzten bei der Party, dafür als Erster am Morgen bei der Garderobe. Eine gewisse Katerstimmung ist den Teilnehmenden des #RC23 FESTIVALs nicht zu verdenken. Was die schwedischen Party-Metalheads von Royal Republic am Abend auf der absolut festivalwürdigen Bühne hingelegt haben, war vom Feinsten. Tolle Hinführung in Richtung einer ausgelassenen Party, die sich der Gastgeber vermutlich nicht schöner hätte ausdenken können. Gero jedenfalls strahlt, als er mit Gesine Schulz und Kaffeetasse die Embrace Stage betritt.

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin (Foto: Kay Herschelmann)
Wolfang und Anneliese…äh…Gesine und Gero, das Moderationsduo (Foto: Kay Herschelmann)

Der Tag gestern war voll, war intensiv. Es gab viel mitzunehmen, viel zu hören, zu besprechen. Die Party tat gut, um die Köpfe wieder durchzulüften.

Jetzt also mit frischer Kraft ans Werk! Florian Schroeder steht in den Startlöchern. Ich auch.

7.6., 09:45 Uhr: Comedy mit FLORIAN SCHROEDER

Florian Schroeder changiert gekonnt zwischen Witz, beißender Satire und klarer politischer Kante. Extrem hohes Tempo. Grünenwähler bekommen ebenso ihr Fett weg wie Merz, Habeck und Lauterbach. Spätestens bei dessen Parodie hat er das Publikum im Griff. Völlig ernst und klar ist er beim Thema AfD. Einige Kostproben:

„Wir haben Fachkräftemangel, weil wir als Land nicht verstanden haben, welche Stunde eigentlich geschlagen hat. Wir könnten uns doch am Fernsehen orientieren. Schauen Sie mal in die Talkshows: Da sitzen auch jede Menge Leute, die keine Ahnung haben und trotzdem reden. Das ist die Richard-David-Prechtisierung des deutschen Fernsehens.“

„Wer die AfD wählt, ist nicht Protestwähler, sondern Nazi. Schuld an der AfD ist nicht die Regierung – sondern diejenigen, die glauben, sie sei die Lösung.“

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin (Foto: Kay Herschelmann)
Satire bis zum Anschlag: Florian Schroeder rockt die Mainstage (Foto: Kay Herschelmann)

„Wir brauchen ein Einwanderungsgesetz, das uns hilft, dass Menschen gerne zu uns kommen. Deutschland ist da nicht unbedingt erstes Ziel: Wetter? Naja. Freundlichkeit? Geht so. Und: Nur 4 Prozent der deutschen Unternehmen stellen auf Englisch ein! Zur Wahrheit gehört aber auch: Nur ein Prozent der Deutschen spricht überhaupt Englisch. Der Rest denkt nur, er könnte Englisch.“

„Mit der Digitalisierung kommen wir nicht voran, wenn von den ganzen Einsen und Nullen nur die Nullen bleiben.“

„Viele Leute sagen: Denken? Schöne Idee, möchte ich aber nicht. Denn ich habe eine Meinung. Und weil ich die nicht aufgeben möchte, will ich geschützt werden vor Menschen, die mich zum Denken zwingen.“

Starker Auftakt.

7.6., 10:40 Uhr: Panel „Quo vadis, deutsche HR Startup Szene?!“

Ich weiß, es ist ein Festival. Trotzdem: Leider wieder sehr unruhiger, sehr lauter Start in eine absolut hochrangig besetzte Runde auf der Center Stage. Eine Runde mit viel Expertise, doch zu knapp bemessen. Fünf Teilnehmende plus Moderator in eine halbe Stunde zu setzen, deren Beginn und Ende auch noch von Unruhe und Umgebungsgewusel geprägt sind, wird leider weder dem Thema noch der Expertise der Speaker*innen gerecht. Hier einige Snippets aus einer Diskussion, der man gern länger gelauscht hätte:

„HR ist zu brav, zu still, zu wenig technisch orientiert, zu wenig risikobereit.“ Gero Hesse

„Ich nehme HR als nicht so risikoavers wahr, wie immer gesagt wird – teilweise sogar als fortschrittlich. Problematischer sehe ich den Betriebsrat.“ Dr. Annika von Mutius, Empion

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin (Foto: Kay Herschelmann)
Quo vadis, deutsche HR Startup Szene?! – Paneldiskussion (Foto: Kay Herschelmann)

„Emmanuel Macron forciert aktuell in Frankreich die Vision einer Startup-Nation. Das kann in zehn Jahren zu einem Vorsprung führen. Stand jetzt sind die Unterschiede aber gering. Die Rahmenbedingungen hierzulande sind nicht furchtbar. Aber wir müssen sie dringend verbessern, um ganz, ganz vorne mitzuspielen. Und da ist Frankreich nicht der Maßstab. Das sind die USA und China. Was sich hierzulande aber vor allem ändern muss, ist die Mentalität in der Politik. Da muss wirklich viel passieren.“ Christian Miele, BV Deutsche Startups e.V.

„Wir müssen überhaupt einmal die Basics schaffen, um hierzulande erfolgreich zu gründen. Wir brauchen Ämter, die erreichbar sind – und zwar nicht per Fax oder nur zwischen 9 und 12 Uhr. Wie attraktiv machen wir den Standort Deutschland für Gründer*innen? Wie kompliziert ist es, in Deutschland eine GmbH zu gründen? Wenn man sich beim Notar fünf Stunden lang einen deutschsprachigen Vertrag vorlesen lassen muss, ist das für Gründer aus dem Ausland nicht gerade attraktiv.“ Benjamin Visser, allygatr

„Die komplette deutsche Bürokratie ist Horror. Bestes aktuelles Beispiel: dass der Arbeitsvertrag schriftlich auf Papier vorliegen muss.“ Marc Clemens, 9am & CodeControl

„Die schlimmste Bedrohung für Startups und viele Unternehmen ist die kommende Arbeitszeiterfassung. Maximal 48 Stunden gut dokumentierte Arbeit pro Woche und 11 Stunden Pause zwischen den Arbeitsphasen? Ich bin gespannt, wie das künftig laufen soll.“ Michael Kramarsch

7.6., 12:30 Uhr – 13:30 Uhr: Gothaer Versicherung mit ALEX HOHAUS, Onlyfy mit STEPHAN RATHGEBER, Heavy Metal B(R)ANDS mit Dr. NICO ROSE 

Jetzt heißt es Vortragshopping jenseits der Hauptbühne. Gerade noch hat Alex Hohaus über die Neupositionierung der Gothaer-Arbeitgebermarke berichtet. Die Recruiting-Stage ist gut gefüllt, und trotz der Silent-Situation (die Teilnehmer*innen tragen Kopfhörer) werden hinterher direkte Nachfragen an den Referenten gestellt. Gutes Zeichen für einen interessanten Vortrag. (Wichtiger Punkt übrigens generell: Die Möglichkeit für das Publikum, nachzufragen, sich im Nachgang mit den Referent*innen auszutauschen, fehlt dem Event wegen der engen Zeitslots und der vielen Wechsel zwischen Speaker*innen und Bühnen weitgehend. Ein Umstand, den nicht nur ich etwas schade finde.)

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin (Foto: Kay Herschelmann)
Employer Branding bei der Gothaer – einer von gaaaanz vielen Praxis-Cases auf dem #RC23 FESTIVAL (Foto: Kay Herschelmann)

Nun berichtet auf der Recruiting-Stage Stephan Rathgeber von Onlyfy über die Neuerfindung und -gestaltung des Recruitings: New Hiring. „Talent Acquisition ist heute der strategische Erfolgsfaktor Nummer 1“, betont Rathgeber. „Wir brauchen ein neues Bewusstsein im Recruiting, ein neues Mindset. Und Mut. Es ist höchste Zeit, zu handeln.“ Das betreffe die Unternehmensleitungen ebenso wie HR. Und die Führungskräfte: „20 Prozent der Arbeitszeit einer Führungskraft gehören ins Recruiting“, fordert Rathgeber. Nur so gerate das Talent wahrhaft in den Fokus. New Hiring verbinde sämtliche Disziplinen des Recruitings.

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin (Foto: Kay Herschelmann)
Stephan Rathgeber von onlyfy spricht über New Hiring (Foto: Kay Herschelmann)

Er beschreibt treffend den Schmerz, den manche*r Personaler*in im täglichen Job verspürt: „Eigentlich wollten viele HRler mit Menschen arbeiten, doch sitzen jetzt im Maschinenraum und schieben in Excel-Tabellen Inhalte von links nach rechts. Klar, dass sie dann sagen: That’s not the job I signed up for.“ Gefragt nach den größten Pain Points der Teilnehmenden, bekommt der Punkt „Ungenutzte Digitalisierungspotenziale“ die meiste Zustimmung. Deutlich mehr als die Hälfte der Vortragsgäste sieht dies als größte Hürde des eigenen Tuns.

Schnell rüber zur spontanen Session von Nico Rose, der kürzlich sein zweites Buch zu seinem Herzensthema Metal vorgelegt hat: Heavy Metal B(r)ands. Gemeinsam mit Götz Ulmer hat er herausgearbeitet, was Marketing von Metal lernen kann. Trotz leichter Verspätung meinerseits bleiben einige Learnings übrig:

Zunächst wäre da das „Gesetz der relativen Invarianz“. Rose bezieht sich auf das Beispiel Iron Maiden. „Große heritage brands dürfen am Produkt nur wenig ändern. Bei Iron Maiden ist die Figur ‚Eddie‘ die Konstante. ‚Eddie‘ spielt auf jedem Album, jedem T-Shirt eine Rolle. Und doch sieht er immer anders aus. Er ist immer da, verändert sich aber immer mit. So schafft man als Marke Kontinuität zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.“

Nico Rose und Carolina Gentsch von Careerfairy
Nico Rose und Carolina Gentsch von Careerfairy (Foto: Nico Rose)

Zweitens Nicos Tipp für Hochtechnikmarken, inspiriert von Dream Theater. „Es reicht nicht, nur Top-Technik zu haben. Man muss Technik visuell begreifbar machen. Für Nerdmarken ist das unheimlich wichtig. Die Marke muss emotional catchen.“

Wer könnte das besser als Lemmy Kilminster? „Der Metal-Obergott“, wie Nico sagt, „der Säulenheilige des Metal. Auf Lemmy und Motörhead können sich alle einigen. Sagst du was gegen Lemmy, wirst du exkommuniziert.“ Und das, obwohl er kein großer Sänger gewesen sei, kein Top-Bassist, sich nie sonderlich gut benommen habe. „Trotzdem ist er die Lovebrand. Der Brand Hero.“ So wie es in HR-Kreisen Cawa Younosi für SAP sei. Das also ist der dritte Tipp in aller Kürze und verpackt in zwei Fragen: „Wer könnte euer Brand Hero sein? Habt ihr schon einen?“

7.6., 13:45 Uhr: HAPPY HOUR

Ziemlich glückliche Gesichter beim EMBRACE-Team…

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin (Foto: Kay Herschelmann)
Ein glückliches EMBRACE Team (Foto: Kay Herschelmann)

7.6., 15:45 Uhr – 16:45 Uhr: Open your mAInd mit KENZA AIT SI ABBOU

Auf in die letzte Runde. Kenza Ait Si Abbou Lyadini steht für Themen an der Schnittstelle von künstlicher und emotionaler Intelligenz. Sie ist Expertin für Robotics und Digitalisierung und befördert Female Empowerment und Diversity. Und jetzt steht sie als finaler Akt auf der Bühne des #RC23 FESTIVALs.

Naturgemäß haben sich die Reihen zum Ende der Veranstaltung schon etwas gelichtet. Doch der Hauptraum wird auch kurz vor dem offiziellen Abpfiff noch einmal ziemlich voll.

„KI verändert alles und ist überall angekommen. Aber sie verändert viel mehr. Human-to-machine-interaction wird immer menschen-ähnlicher.“ Sie bringt das treffende Beispiel, dass sich Menschen häufiger dabei ertappen, dass sie ChatGPT nach der „Kommunikation“ danke sagen. (Der Autor dieser Zeilen soll die Maschine übrigens schon für besonders gelungene Analysen gelobt haben, aber das ist ein anderes Thema.)

Kenza führt eine ganze Reihe an Möglichkeiten an, AI im Recruiting-Alltag zu nutzen. „Spannender finde ich aber die Frage“, ergänzt sie, „warum es uns nicht gelingt, Menschen im Unternehmen zu halten?“ Sentiment-Analysen, Leistungsdaten, Gehaltsinformationen, Prognosen, personalisierte Empfehlungen – KI kann schon heute verschiedene Bindungsfaktoren unterstützen. „Doch Menschen wollen etwas ganz anderes: Sie möchten wertgeschätzt werden. Jeder Mensch will Wertschätzung, aber die Realität des Arbeitsalltags erlaubt gar nicht, diese Wertschätzung zu geben.“

„Diversity 3.0 bedeutet, dass Menschen und Roboter gemeinsam arbeiten. Seite an Seite. Wir nutzen die KI-Tools aktuell für Analysen, sollten sie aber nutzen, um Menschen zu entlasten“, argumentiert sie, „damit sie das tun können, worin sie gut sind. Roboter geben uns Menschen die Menschlichkeit zurück. Es liegt an uns, wie wir die Technologie nutzen.“

#RC23 6. & 7. Juni 2023 | TEC Event Campus Berlin
Emotionale künstliche Intelligenz mit KENZA AIT SI ABBOU (Foto: Kay Herschelmann)

Zum Abschluss gehen Gero und Kenza in den Dialog. „Ich glaube manchmal, wir ergehen uns im Tech-Hype und verlieren den Menschen aus dem Auge“, sagt Gero. Kenza berichtet von ihrem neuen Buch „Menschenversteher“. Darin schreibt sie über emotionale Künstliche Intelligenz. „Nicht der Roboter kann Gefühle entwickeln, er kann aber menschliche Emotionen erkennen und verstehen lernen“, erklärt sie. Mehr noch: „Die Maschine hat so viele Parameter, Gefühle zu erkennen, dass sie Emotionen besser deuten kann als wir Menschen bei anderen Menschen – oder sogar bei uns selbst.“

Immer stärker dringe die Mensch-Maschine-Interaktion in emotionale Bereiche vor. Menschen vertrauten sich Maschinen an, weil sie neutral seien, „und weil sie nichts weitererzählen“.

Gero fragt das Publikum, wer Angst habe, wegen KI seinen Job zu verlieren. Niemand zeigt auf. Ist das nun nachmittägliche Erschöpfung, menschliche Arroganz, verschleppte Metal-Katerstimmung oder schlicht gesundes Selbstbewusstsein? Egal. „Es wundert mich. Aber ich finde es gut“, lobt Gero die angstfreie Wetterfestigkeit seiner Crowd.

Kenza im Talk mit Gero (Foto: Kay Herschelmann)

Zuletzt werden die Beiden philosophisch, warum eigentlich auch nicht? „Es lohnt sich für jeden Menschen, intensiv darüber nachzudenken, womit man glücklich ist und wie man leben will“, sagt Gero. „Glück ist aber auch anstrengend“, lacht Kenza. „Man muss viel Nein sagen.“

7.6., 16:45 Uhr: Ende Gelände, das war es mit dem #RC23 FESTIVAL

Um 16.45 Uhr schließlich endet ein HR-Festival, das in vielerlei Hinsicht seinem Anspruch nachgekommen ist: viele Bühnen, viel Input, viele Menschen, viel Austausch, viel Bewegung, viel Action, viel warm. Ja, es war viel, viel war gut, und manchmal war es ein bisschen viel des Guten. Aber auch das gehört sich ja für ein waschechtes Festival.

Am 12. & 13. Juni 2024 geht der RC in die nächste Runde – dann als „EMBRACE Festival unter dem Motto „Embrace TECH, DATA & PURPOSE to recruit and retain“ – hier geht’s zur Festival-Website und mit etwas Glück werden Onkel Berni wohl auch wieder dabei sein 😉

Seit Jahren die Houseband: ONKEL BERNI mit eigens komponierten Songs (Foto: Kay Herschelmann)

Und damit melde ich mich hier ab: Over and out! Es hat viel Spaß gemacht, diesem energetischen Event beizuwohnen und hier Bericht zu erstatten.

Auf bald in der Recruiting-Community!

Cliff

 

Anmerkung des Hausbesitzers:

Cliff – ganz herzlichen DANK für diesen subjektiven Rückblick auf das #RC23 FESTIVAL! Ich habe das SAATKORN Haus in bester Verfassung vorgefunden. Das Experiment ist aus meiner Sicht total geglückt. Und ich hoffe, Dir hat es in meinem Camper gut gefallen 😉

Natürlich ist das nur ein kleiner Ausschnitt aus dem ganzen Festival. Bald gibt’s an dieser Stelle noch den Rückblick-Film, aber der wird gerade noch geschnitten…

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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