Recrutainment im Jahr 2014 – Interview mit Jo Diercks von Cyquest, inklusive Buchverlosung

Recrutainment im Jahr 2014

Jo Diercks ist auf saatkorn. immer wieder gern gesehen. Der „Recrutainment-Pionier“, Blogger und Cyquest Gründer hat soeben ein interessantes Buch herausgebracht und dementsprechend viel Spannendes zu erzählen. Und: 3 Bücher mit persönlicher Autorenwidmung (!) werden über die saatkorn. facebook Seite verlost Dazu einfach auf der facebook Seite kundtun, warum das Buch DIR gehören soll.

Jetzt aber erstmal das Interview. Auf geht’s, Vorhang auf für Jo:

saatkorn.: Lieber Jo, zunächst herzlichen Gl¸ckwunsch zum neuen Buch „Recrutainment: Spielerische Ansätze in Personalmarketing und Auswahl!“ – Was war der Treiber für Dich und Kristof Kupka, unter die Buchherausgeber zu gehen?
Ganz klar: Langeweile. Wir wollten spielen und so tun als wäre das Arbeit… 😉 Nein, im Ernst: Der Einsatz spielerischer Elemente im Employer Branding, im Personalmarketing, in der beruflichen Orientierung UND auch in der Personalauswahl hat in den letzten Jahren so stark zugenommen, dass ich nicht nur große Schwierigkeiten habe, im Recrutainment Blog mit der Berichterstattung hinterher zu kommen, sondern dass es für uns an der Zeit war, dem Begriff Recrutainment mal so etwas wie ein solides bergiffliches Fundament zu geben. Denn: Nicht alles was lustig ist, ist Recrutainment..

saatkorn.: Wer sollte das Buch gelesen haben, wo liegt der Mehrwert für Eure Zielgruppe?
Recrutainment ist ja kein Tool oder Methode, sondern eher eine Art grundlegende Denke. Es geht darum, das „Zueinanderfinden“ von passendem Kandidaten und passendem Unternehmen zu verbessern und insgesamt möglichst akzeptierte Formen der Personalgewinnung anzuwenden. Das verlangt nämlich die Gemengelage aus demografischem Wandel, vermeintlich überall und überreichlich verfügbarer und trotzdem so verwirrender Information über Berufe und Unternehmen, Gaming und Gamification und vor allem den veränderten Werten der Generationen Y und Z heute viel mehr als früher. Unternehmen befinden sich heute nämlich viel öfter in der Situation des „sich Bewerbenden“ als früher. Gleichzeitig ist die Verwirrung auf Seiten der Bewerber heute viel gößer als früher – Stichwort „Orientierung“ oder besser „Orientierungslosigkeit“…

Von daher richtet sich das Buch an alle, die mit Personalgewinnung im weitesten Sinne zu tun haben – Corporate und Employer Brander, Personalmarketeers und natürlich Recruiter.

Wir haben uns wie gesagt große Mühe gegeben, in dem Buch ein solides theoretisches Fundament dafür zu legen, was Recrutainment eigentlich ist und ausmacht. Um das dann aber wieder einzufangen, finden sich in dem Buch ja auch einige praktische Fallbeispiele, was Recrutainment in der Praxis so sein kann – von Geocaching-QR-Code-Schnitzeljagden, Online-Berufsorientierungsspielen und Karriere-Matchern über unterhaltsam und informativ eingepackte Online-Assessments bis hin zu Comics im Personamarketing oder dem Vorarlberger Lehrlingsball…

saatkorn.: Ich kann mir vorstellen, dass gerade Mittelständler eher denken, dass Recrutainment etwas für Grßkonzerne ist. Stimmt das?
Jein. Gößere Unternehmen denken naturgemäß häufiger in „Programmen“ – Ausbildungsprogramm, Traineeprogramm etc. D.h. dann auch, dass man typischerweise in größeren Mengengerüsten an Interessenten und Bewerbern denken muss. Je größer wiederum die Menge an potentiellen Nutzern, desto eher rechnet sich natürlich die Investition in eine Recrutainment-Anwendung. Von daher ist es sicherlich Fakt, dass es häufiger eher größere Unternehmen sind, die Recrutainment einsetzen. Aber damit sind zumindest gößere Mittelständler definitiv mitgemeint – wir haben auch Kunden mit weniger als 1000 Mitarbeiten…

Aber Recrutainment ist keine Materialschlacht, sondern wie schon gesagt eher eine „Denke“, eine Philosophie. Es geht darum, über unterhaltsame, informative, pfiffige Ansätze Einblicke ins Unternehmen zu geben und Personal auszuwählen. Das ist dann auch keine Frage des Geldes, der Größe der HR-Abteilung oder des Unternehmens, sondern eine Frage der Kreativität. Ich meine, auch kleine Unternehmen wählen ja Personal aus und diesen Auswahlprozess kann man eben nüchtern, sachlich und trocken oder eben unterhaltsam, informativ und sympathisch gestalten – der Schritt zum Recrutainment ist dann nicht mehr weit…

saatkorn.: Du hast ja kürzlich die vielbeachtete Blogparade zum Thema Berufsorientierung gestartet. Gibt es da eine Verbindung zum Thema Recrutainment?
Absolut! Recrutainment ist kein Selbstzweck, sondern soll genau dabei helfen, insg. die Orientierung zu verbessern. Bei „Berufsorientierungsspielen“ ist das sehr naheliegend: Probiert man etwa bei RWE aus, was ein Fachinformatiker Anwendungsnetwicklung so macht oder bei der DAK ein „Sofa“ (Sozialversicherungsfachangestellter) – spielerisch, online – dann ist das ein direktes Orientierungs“erlebnis“.

Aber auch Instrumente, die eigentlich „nur“ der Personalauswahl dienen wie etwa eignungsdiagnostsche Online-Assessments – können, ich würde sogar sagen „sollten“ – nicht nur den Kandidaten testen, sondern auch über das Unternehmen informieren und im Idealfall auch „Spaß“ machen, also „orientieren“. Und damit wären wir beim Recrutainment.

Wir reden alle über „Candidate Experience“ und dann foltern Unternehmen ihre Bewerber mit langweiligen und staubtrockenen Online-Tests. Das muss nicht sein! Man nehme einen guten Test, aber dann verpacke man ihn so, dass auch der Kandidat anbschließend sagt: „Da habe ich was über das Unternehmen erfahren, da habe den Eindruck gehabt, dass das Unternehmen sich Mühe gegeben hat und da hatte ich – neben aller Anspannung – auch Spaß“! Dann schlägt man drei Fliegen mit einer Klappe. Man testet den Bewerber und gleichzeitig unterstützt man dessen Orientierung und zahlt auf die Arbeitgebermarke ein. Beispiele gefällig? Gruner+Jahr, Tchibo, E.ON, Targobank, Fielmann, usw.

saatkorn.: Was sind eigentlich die Unterschiede high level zwischen Online-Assessments, Berufsorientierungsspielen und Offline-Recrutainment Events?
Online-Assessments sind per se erst einmal nur eignungsdiagnostische Testverfahren, die über das Internet durchgeführt werden. Zu Recrutainment-Applikationen werden sie erst dann, wenn die Testverfahren in Arbeitgebermarke „eingepackt“ werden. Das kann soweit gehen, dass um die Testverfahren eine ganze Spielgeschichte als Rahmenhandlung gelegt wird wie etwa bei der Targobank Tour oder dem Tchibo eAssessment.

Berufsorientierungsspiele sind Serious Games, bei denen es darum geht, berufstypische Inhalte zu erleben und auszuprobieren, statt sich diese nur lean back anzusehen oder durchzulesen: Der Verwaltungsbeamte prüft einen Elterngeldantrag, der Sozialversicherungsfachangestellte bearbeitet eine Krankenhaus-Kostenabrechnung oder der Kaufmann für Büromanagement plant und organisiert ein Firmenevent. Alles natürlich vereinfacht und im Maßstab 1:n, aber realistisch. Hier geht es also im Prinzip darum, den Nutzer während der Bearbeitung ständig anzuregen, sich selber zu fragen, ob er „so etwas“ kann, mag und machen will… Wenn man so will: Realistic Job Preview durch ein virtuelles 10-Minuten Praktikum…

Bei Offline-Recrutainments geht es um spielerisches gegenseitiges Kennenlernen, aber eben „kohlenstofflich“ von Angesicht zu Angesicht. Wie beim Assessment Center kommen also die persönliche Begegnung und damit natürlich auch die Beobachtungskomponente hinzu. Allerdings geht es dabei nicht wie in einem AC um Beobachtung zur standardisierten Testung – also um Auswahl durch das Unternehmen, sondern darum, dass ein potentieller Kandidat das Unternehmen kennenlernt und so eine niederschwellige und unverkrampfte Möglichkeit bekommt, sich selber ein persönliches Bild vom Unternehmen zu machen. Es geht also um Auswahl durch den Bewerber…

saatkorn.: Wie hat sich das Thema für Cyquest eigentlich in den letzten 10, 12 Jahren entwickelt? – Sind Online-Assessments inzwischen fest etabliert, oder müsst Ihr immer noch Brücken bauen?
Ich kann mich noch erinnern, dass ich 2000 mal bei einem Unternehmen mehr oder weniger rausgesetzt worden bin mit den Worten „Sie wollen doch nicht ernsthaft Personalmarketing mit so nem Spiel…?“ Auch wenn natürlich nicht jeder Recrutainment toll findet, erlebt man so etwas heute nicht mehr. Ich weiß nicht, wieviele Hundert Recrutainment Anwendungen von X Unternehmen es inzwischen gibt. Von den DAX 30 Unternehmen sind allein 9 CYQUEST Kunden und wir sind ja nicht der einzige Anbieter…

Konkret auf das Thema Online-Assessment bezogen kann man sagen, dass diese zumindest in größeren Unternehmen dabei sind, zu einem mehr oder weniger selbstverständlichen Standard-Instrument zu werden, welches mindestens an irgendeiner Stelle im Unternehmen eingesetzt wird. Aber wie gesagt: Online-Assessments sind nicht automatisch Recrutainment Applikationen. Es gibt viele Online-Assessments, die sind knochentrockene Aneinanderreihungen von eignungsdiagnostischen Test. Ohne irgendeinen kommunikativen, informativen oder unterhaltsamen Mehrwert für den Kandidaten. Hier wird eine Riesenchance vertan, das Testverfahren gleichzeitig auch als Marketing- und Brandinginstrument einzusetzen. Klar, der Test muss allen Anforderungen an gute Eignungsdiagnostik genügen (DIN 33430), aber man kann diese doch zumindest hübsch einpacken. Man muss ja gar nicht immer gleich eine ganze Rahmenhandlung und Spielgeschichte drumherum stricken (wenngleich sich das durchaus lohnt iSd. Nutzerakzeptanz), aber wer seine Kandidaten mit langweiligen Tests quält, der hat wahrscheinlich noch nie etwas von „Candidate Experience¥“ gehört… Und das ist nicht nur meine Meinung – wir haben in unserem Buch aktuelle empirische Forschungsergebnisse zusammengetragen, die eindeutig belegen, dass es sich lohnt, das Online-Assessment nach Recrutainment Gesichtspunkten zu gestalten.

saatkorn.: Was sind aus Deiner Sicht die kurz-, mittel- und langfristige Trends im Kontext Recrutainment?
Ich bin überzeugt, dass die Eignungsdiagnostik noch viel enger mit Serious Gaming und Gamification zusammenwachsen wird. D.h. dann (noch) realistischere Simulationen zum Ausprobieren und Erkunden von Berufsbildern und potentiellen Arbeitgebern. Und das heiflt irgendwann vielleicht auch mal so etwas wie „valide Messung von berufsbezogenen Persönlichkeitsmerkmalen aus dem in einem Spiel beobachteten Verhalten“. Das gibt es nämlich entgegen der etwas naiven journalistischen Vorstellung von „Recruiting Games“ bislang noch nicht. Augmented Reality könnte hier ein Weg sein, über den das laufen könnte. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg zu gehen.

Kurz- und mittelfristg wird sicherlich zu beobachten sein, dass die heute oft noch vorhandene Trennung von Online- und Offline-Recrutainment immer mehr verschwinden wird. Die verbindene Brücke zum „Blended Recrutainment“ wird das mobile Internet sein.

saatkorn.: Ganz herzlichen Dank für das Interview und weiterhin viel Spaß und Erfolg bei Cyquest!

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

5 Gedanken zu „Recrutainment im Jahr 2014 – Interview mit Jo Diercks von Cyquest, inklusive Buchverlosung

  • 13. Mai 2014 um 15:31
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    Eine sehr gute Idee, zu diesem Thema ein Buch zu schreiben. Zieldienliche und interessant konzipierte Recrutainment-Konzepte können Unternehmen helfen, ein nachhaltiges und attraktive Employer Branding aufzubauen, indem sie die Kommunikation mit Interessenten und Bewerbern intensivieren und auch diesen selber einen erheblichen Nutzen bieten, ihre Karriereplanung, ihre Fähigkeiten und ihr Motive zu erkunden. Wir werden es bei http://www.hrmbooks.ch auf jeden Fall aufnehmen.

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  • 18. März 2014 um 15:30
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    Ich studiere gerade neben dem Beruf an der HS Mittweida Business und Management. Das Buch könnte ich super für meine Bachelorarbeit brauchen.

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  • 18. März 2014 um 10:02
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    Ich möchte dieses Buch gewinnen, da mich das Thema sehr interessiert und ich mich weiterbilden möchte.

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  • 17. März 2014 um 18:58
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    Ich will das Buch RECRUTAINMENT gewinnen, da es mir bestimmt noch ein paar gute Ansätze für meinen Social Media Kurs vermittelt.

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  • 17. März 2014 um 18:08
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    Ein sehr gutes Buch, dass meinem Verständnis von wertschätzendem Recruiting mehr als entspricht.

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