Studie: Mitarbeitergespräche – Interview mit Maren Schaumburg

Mitarbeitergespräche unter dem Brennglas – ein Interview mit Maren Schaumburg von der KÖNIGSTEINER Gruppe

Mitarbeitergespräche gehören zu den wichtigsten Instrumenten moderner Personalführung – doch in der Praxis bleiben sie häufig hinter den Erwartungen zurück. Das zeigt eine aktuelle Studie der KÖNIGSTEINER Gruppe, für die mehr als 1.000 Beschäftigte befragt wurden. Viele Gespräche finden zu selten statt, werden nicht ausreichend vorbereitet oder bleiben schlicht folgenlos. Im SAATKORN-Interview spricht KÖNIGSTEINER-Expertin Maren Schaumburg darüber, was Unternehmen ändern müssen, damit Mitarbeitergespräche zu echten Entwicklungsmomenten werden – und nicht zum bloßen Pflichttermin verkommen. Auf geht’s:

SAATKORN.: Zur Einstimmung: Maren, bitte stelle Dich doch den SAATKORN-Leser*innen kurz einmal vor.
Sehr gerne. Mein Name ist Maren Schaumburg, ich bin bei der KÖNIGSTEINER Gruppe für die Themen Research sowie Business Development zuständig. Wir gehören zu den traditionsreichsten HR-Beratungen in Deutschland und beschäftigen uns seit Jahrzehnten mit allen Beratungsinhalten rund um erfolgreiches Recruiting, Employer Branding und Personalmarketing. Um unsere Kunden gut und faktenorientiert beraten zu können, ist es uns wichtig, unsere Expertise auch durch regelmäßig Studien zu vertiefen. Wir wollen verstehen, wie sich die deutsche Arbeitswelt mittel- und langfristig entwickelt, um auch in der Gegenwart die richtigen Themen setzen zu können. Das aktuelle Whitepaper zu Mitarbeitergesprächen und Leistungsbeurteilungen ist ein gutes Beispiel dafür.

SAATKORN.: Du sprichst es an: Ihr habt eine Studie dazu durchgeführt, wie Mitarbeitergespräche und Leistungsbeurteilungen aktuell in deutschen Unternehmen durchgeführt werden. Wie war das Setting Eurer Untersuchung?
Für die Studie haben wir gemeinsam mit dem Marktforschungsinstitut bilendi bundesweit 1.073 Beschäftigte dazu befragt, wie in ihrem unternehmen Feedbackprozesse funktionieren und welche Erfahrungen in ihrer beruflichen Laufbahn in dieser Hinsicht gesammelt haben. Unser Ziel war es, herauszufinden, wie Mitarbeitergespräche in der Praxis ablaufen: Wie häufig finden sie statt, welche Themen stehen im Fokus, wie zufrieden sind Beschäftigte mit der Durchführung – und vor allem: Welche Konsequenzen haben die Gespräche?

SAATKORN.: Ein Ergebnis ist, dass Mitarbeitergespräche bei vielen Arbeitgebern oft folgenlos bleiben. Woran liegt das Deiner Meinung nach – und welche Folgen hat das für die Unternehmen?
Das ist in der Tat ein Kernproblem. Gerade einmal 26 % der Beschäftigten berichten, dass alle im Gespräch vereinbarten Ergebnisse auch wirklich umgesetzt werden. Fast ein Viertel sagt dagegen, dass die Maßnahmen überwiegend nicht oder gar nicht realisiert wurden – und 12 % wissen nicht einmal mehr, was in ihrem letzten Gespräch eigentlich vereinbart war. Das zeigt deutlich: Es mangelt an Verbindlichkeit. Für Unternehmen ist das gefährlich, denn wenn Beschäftigte den Eindruck haben, dass Gespräche nur ein Ritual ohne Wirkung sind und kein ernst gemeinter Versuch der Weiterentwicklung, sinken Motivation und vor allem das Vertrauen in den Arbeitgeber. Im schlimmsten Fall führt das dazu, dass gute Mitarbeitende das Unternehmen verlassen – einfach, weil ihnen keine realistische und attraktive Karriereentwicklung nähergebracht wird.

SAATKORN.: Wie genau ist die Taktung der Mitarbeitergespräche denn derzeit im Durchschnitt? Und reicht der aktuelle Turnus aus Deiner Sicht aus oder sollten Arbeitgeber häufiger in den Dialog mit ihren Mitarbeitenden gehen?
Der Standard ist nach wie vor das jährliche Mitarbeitergespräch – 35 % der Befragten geben das als gängige Praxis an. Monatliche oder vierteljährliche Gespräche liegen zusammengenommen bei nur 22 %, halbjährliche bei 13 %. Auffällig ist: 18 % haben überhaupt keine regelmäßigen Gespräche, weitere 13 % nur seltener als einmal pro Jahr. Das reicht so natürlich nicht aus. Wer Mitarbeitende motivieren und entwickeln will, muss Feedbackprozesse als regelmäßiges Tool begreifen – sei es durch zusätzliche Halbjahresgespräche oder regelmäßige Check-ins.

SAATKORN.: Mitarbeitergespräche und individuelle Leistungsbeurteilung sind in der Regel eine klassische Aufgabe der Führungskräfte – inhaltlich wie ergebnisorientiert. In der Studie zeigt sich, dass es oft an deren Vorbereitung hapert. Was läuft da gemäß Eurer Studiendaten derzeit falsch?
Wir sehen, dass 23 % der Beschäftigten beklagen, ihre Führungskraft habe sich zu wenig Zeit genommen – also nahezu jeder vierte Mitarbeitende. Weitere 20 % kritisieren eine unzureichende Vorbereitung. Dazu kommt: Nur etwas mehr als die Hälfte der Gespräche wird mit einem Protokoll nachbereitet und nur etwas mehr als ein Drittel kommen in den Genuss eines offiziellen Folgegesprächs. Dazu passt: Gerade einmal 30 % erhalten einen Entwicklungsplan. Wenn wir uns diese Daten anschauen, müssen wir zu dem Schluss kommen, dass eine bemerkenswerte Anzahl von Führungskräften Feedbackprozesse auf eine etwas zu leichte Schulter nehmen. Offenbar sind Leistungsbeurteilungen und Mitarbeitergespräche für sie eher eine Pflichtübung und weniger ein wichtiger Moment für Wertschätzung und Potenzialentwicklung.

Protokolle Mitarbeitergespräche SAATKORN Maren Schaumburg

SAATKORN.: Ein weiteres Ergebnis Eurer Analyse ist, dass nur etwas mehr als die Hälfte der Gespräche dokumentiert wird. Wie genau ist die Situation diesbezüglich in den Unternehmen und warum ist eine gute Dokumentation von Feedback-Prozessen so entscheidend für den Erfolg?
In gerade einmal 52 % der Fälle wird ein Protokoll erstellt, das beide Seiten einsehen können. Über digitale Lösungen können nur 30 % der Befragten die Ergebnisse nachvollziehen, was mal wieder wenig für eine gelungene Digitalisierung von HR-Prozessen spricht.

Insgesamt bedeuten die Zahlen: Fast jedes zweite Gespräch wird nicht ausreichend dokumentiert. Das ist fahrlässig. Denn ohne Dokumentation fehlt die Basis, um gemeinsam besprochene Entwicklungsmaßnahmen später auch wirklich nachhalten zu können. Außerdem droht die Gefahr, dass Vereinbarungen schlicht vergessen werden. Eine transparente Dokumentation schafft dagegen Klarheit, macht Fortschritte messbar und erhöht die Verbindlichkeit – was letztlich die Qualität der Feedback-Kultur im Unternehmen ausmacht.

SAATKORN.: Kommen wir zum inhaltlichen Aspekt der Gespräche: Hier wünschen sich die Beschäftigten vor allem Feedback zu Themen wie Arbeitsqualität, Zusammenarbeit im Team sowie zum persönlichen Engagement. Richtig?
Genau – das sind die wichtigsten inhaltlichen Anforderungen, die Beschäftigte anlegen, wenn sie ins Mitarbeitergespräch gehen. Nahezu zwei Drittel der Befragten legen den größten Wert auf Rückmeldungen zur Qualität ihrer Arbeit. Das ist wenig überraschend. Dahinter folgen die Zusammenarbeit im Team (53 %) sowie eine Rückmeldung zum persönlichen Engagement (47 %). Auch Themen wie Gehalt (47 %) und die Beziehung zur Führungskraft (43 %) sind wichtige Inhalte. Weniger relevant sind dagegen private Themen oder die reine Arbeitszeit. Für Arbeitgeber heißt das: Wer die Qualität der Arbeit, Teamdynamiken und individuelle Einschätzungen zum Mitarbeiterengagement in den Fokus rückt, erfüllt zentrale Erwartungen der Beschäftigten. Genau auf diese Themen sollten sich die Führungskräfte dann auch vorbereiten.

SAATKORN.: Ein Alarmsignal auf Basis Eurer Daten ist: Rund ein Viertel der Beschäftigten fühlt sich im Mitarbeitergespräch unfair oder nicht objektiv bewertet. Fehlt es hier an Standards oder an der richtigen Gewichtung dieser Themen?
Meine Vermutung ist, dass ein bisschen etwas von Beidem fehlt. Zwei Drittel der Beschäftigten empfinden ihre Leistungsbeurteilung als objektiv und fair – das ist zunächst positiv. Auf der anderen Seite: 25 % fühlen sich ungerecht beurteilt, 24 % berichten von fehlender Objektivität. Wir sprechen hier also von jedem Vierten. Das bringt uns schon zu der Vermutung, dass klare Standards fehlen. Unternehmen sollten klare Bewertungsmaßstäbe definieren, Führungskräfte schulen und auch Mechanismen einführen, die Subjektivität reduzieren – zum Beispiel durch strukturierte Kriterien, Mehr-Perspektiven-Feedback oder regelmäßige Kalibrierungsrunden. Das ist eine klassische Aufgabe für HR. Da sind die Personalabteilungen in der Pflicht, sich einzubringen.

Themen Mitarbeitergespräche Maren Schaumburg SAATKORN
Themen Mitarbeitergespräche Maren Schaumburg SAATKORN

SAATKORN.: Mitarbeitergespräche sind ein zentrales Instrument für Motivation und Bindung – können aber, wenn sie schlecht laufen, sogar zu Kündigungsabsichten führen. Habt Ihr auch dazu Ergebnisse sammeln können?
Ja, auch das haben wir natürlich abgefragt. Momentan ist die Situation diesbezüglich so, dass sich aktuell immerhin 13 % der Beschäftigten wegen eines schlechten Gesprächsprozesses aktiv nach einem neuen Arbeitgeber umsehen. Auf der anderen Seite geben aber auch 25 % der Befragten an, dass ein gut strukturierter Feedbackprozess ihre Zufriedenheit mit dem Unternehmen spürbar steigert. Das verdeutlicht: Mitarbeitergespräche können in beide Richtungen führen. Sie können Motivation und Bindung stärken oder eben das Gegenteil bewirken, wenn sie schlecht geführt werden.

SAATKORN.: Zum Abschluss: Welche Handlungsempfehlungen möchtest Du Arbeitgebern mit auf den Weg geben, damit Mitarbeitergespräche zu echten Entwicklungsgesprächen werden – und nicht zu formalen Pflichtterminen verkommen?
Unsere Studie macht deutlich, dass Mitarbeitergespräche nur dann Wirkung entfalten, wenn sie regelmäßig stattfinden, gut vorbereitet sind und verbindlich nachgehalten werden. Es reicht nicht, einmal im Jahr ein formales Pflichtgespräch zu führen – vielmehr braucht es einen kontinuierlichen Dialog, der von Wertschätzung geprägt ist. Das persönliche Gespräch ist und bleibt das Herzstück der Leistungsbeurteilung, sollte aber unbedingt durch eine saubere, am besten digitale Dokumentation ergänzt werden, um so Verbindlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu schaffen. Entscheidend ist, dass Vereinbarungen nicht im Sande verlaufen, sondern konsequent in Maßnahmen, Entwicklungspläne und Folgegespräche überführt werden. Gleichzeitig kommt es ganz entscheidend auf die Rolle der Führungskräfte an: Sie müssen ausreichend Zeit investieren, vorbereitet in den Austausch gehen und ihren Mitarbeitenden echte Perspektiven aufzeigen. Wenn all diese Faktoren zusammenkommen, werden Mitarbeitergespräche zu einem starken Instrument für Motivation, Entwicklung und Bindung – und nicht zu einer reinen Formalie.

SAATKORN: Danke, Maren Schaumburg, für das Interview zum Thema Mitarbeitergespräche! Und weiterhin viel Spaß und Erfolg bei der KÖNIGSTEINER Gruppe!

 

Das White Paper „Entwicklungsgespräche und Leistungsbeurteilung in deutschen Unternehmen“ der KÖNIGSTEINER Gruppe steht interessierten Arbeitgebern hier zum Download zur Verfügung.

 

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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