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Azubi Recruiting Trends 2016

Azubi Recruiting Trends 2016 – just ist die Neuauflage der Azubi Recruiting Trends Studie erschienen. Bereits letztes Jahr hatte ich auf saatkorn. darüber berichtet. Ehrensache, dass ich auch 2016 mit Initiatorin Felicia Ullrich gesprochen habe. Auf geht’s:

saatkorn.: Frau Ullrich, bitte stellen Sie sich den saatkorn. LeserInnen kurz vor.
Mein Name ist Felicia Ullrich und ich bin geschäftsführende Gesellschafterin der u-form Testsysteme. Die u-form Testsysteme bieten Recruiting-Lösungen speziell für die berufliche Ausbildung und das duale Studium an sowie eine Bewerbermanagement- Lösung und Testverfahren als Papier- oder Onlinelösung. Persönlich schlägt mein Herz für das Thema Azubi-Marketing, weil ich glaube, dass hier noch viel Potential verborgen liegt. Zu diesem Thema bin ich seit vielen Jahren als Rednerin im ganzen Bundesgebiet unterwegs.

Azubi Recruiting Trends 2016 mit über 3.400 Teilnehmern

saatkorn.: Gerade wurde die Studie Azubi Recruiting Trends 2016 vorgestellt. Wer wurde von wem wozu befragt, wie war das Setting der Studie?
Die Studie Azubi Recruiting Trends 2016 ist die größte doppelperspektivische Studie in Deutschland zum Thema Ausbildung und Azubi-Recruiting, die wir 2016 schon zum siebten Mal durchgeführt haben. Wir befragen parallel Bewerber und Azubis auf der einen und Ausbilder sowie Ausbildungsverantwortliche auf der anderen Seite. Eine weitere Besonderheit unserer Studie ist, dass wir aktuelle Trends aufgreifen und nicht jedes Jahr die gleichen Fragen stellen. Wissenschaftlich begleitet wurde die Studie dieses Jahr von Professor Christoph Beck. Die Ausbildungsplattform blicksta hat uns in diesem Jahr beim Sourcing der Studie unterstützt. Dafür sind wir sehr dankbar, denn wir haben mit 3.400 Teilnehmern bei den Bewerbern und Azubis einen neuen Rekord erzielt. Zudem haben rund 1.300 Ausbildungsverantwortliche teilgenommen.

saatkorn.: Wie beurteilen Sie auf Basis der Azubi Recruiting Trends 2016 die Gesamtsituation in Deutschland für die Arbeitgeber? – Ist es tatsächlich so schwer, an gute Auszubildende heranzukommen?
Ja und nein. Es gibt Branchen, in denen sich der sogenannte Fachkräftemangel schon heute sehr deutlich zeigt wie zum Beispiel in der Gastronomie. Dort konnten 2015 nur 31 % der befragten Unternehmen alle Ausbildungsplätze besetzen – über alle Branchen waren es immer 60 Prozent der Unternehmen. Im kaufmännischen Bereich können die meisten Ausbildungsbetriebe ihre Stellen heute noch besetzen – bei den gewerblich-technischen Ausbildungen haben selbst große und bekannte Unternehmen Probleme, die Stellen mit den passenden Bewerbern zu besetzten.

Schulnoten als Auswahlkriterium fraglich

Wir hören oft, es gebe zwar genug Bewerbungen aber es fehle an den passenden Bewerbern. Wobei hier die Unternehmen vielleicht auch einmal über die eignen Ansprüche nachdenken müssten. Aus der Studie vom Vorjahr wissen wir, dass die meisten Unternehmen noch immer auf Basis von Schulnoten eine erste Selektion der Bewerber vornehmen. Das Schulnoten aber immer valide die Berufseignung vorhersagen, wage ich zu bezweifeln und da bin ich nicht allein. Zwar glauben 58 % der Ausbildungsverantwortlichen, dass Schulnoten im „Großen und Ganzen“ die Leistungsfähigkeit von Azubi-Bewerbern widerspiegeln, aber 42 % tun dies eben nicht. Zudem ist auch den Ausbildungsverantwortlichen bewusst, dass sie bei der Primärauswahl nach Schulnoten auch Kriterien mitprüfen, die gar nicht auf der offiziellen Auswahlagenda stehen: So sind etwa 53 % der Ausbildungsverantwortlichen überzeugt, dass Schulnoten viel mit der sozialen Herkunft zu tun haben. 48 % machen außerdem regelmäßig die Erfahrung, dass die Schulnoten schlechter sind als die „tatsächliche Leistungsfähigkeit der Bewerber“. Aus meiner Sicht ist es daher eine gute Idee, die Auswahl nach Schulnoten kritisch zu überprüfen, gerade wenn Ausbildungsunternehmen nicht mehr genügend „passende Bewerber“ bekommen und stärker bislang vernachlässigte Talentreservoirs ausschöpfen müssen.

Beste Aussichten bei Interesse an handwerklichener oder gewerblicher Ausbildung

saatkorn.: Und wie schätzen Sie auf Basis der Azubi Recruiting Trends 2016 die Situation für die SchülerInnen ein, einen attraktiven Ausbildungsplatz zu bekommen?
Für gute Schüler mit einem realistischen Berufswunsch sind die Chancen heute sicherlich so gut wie nie zuvor. Nach wie vor schwierig ist es für junge Menschen mit niedrigen und schlechten Schulabschlüssen sowie in Berufen, die sehr hipp und trendy klingen (alles mit „Medien“). Richtig gut sind die Aussichten für junge Menschen, die sich für eine gewerbliche oder handwerkliche Ausbildung interessieren. Hier liegen viele Chancen, die von den Jugendlichen und deren Eltern oft nicht gesehen werden. Eltern üben ja nach wie vor einen sehr großen Einfluss auf die Wahl des Ausbildungsberufes aus, das zeigt auch unsere aktuelle Studie, in der sich gezeigt hat, dass die Empfehlung der Eltern der am häufigsten genutzte Kanal ist, um sich über Ausbildung zu informieren.

Azubi Recruiting Trends 2016: Work Life Balance ist relevant

saatkorn.: Kommen wir auf die Präferenzen der Schüler zu sprechen. Was macht Ausbildungsbetriebe attraktiv, worauf sollte sich die Bewerberkommunikation vornehmlich stützen, um bei der Zielgruppe anzukommen?
Bei den persönlichen Zielen, die für die eigene Karriere eine wichtige Rolle spielen, liegen „eine sinnvolle Tätigkeit“, die „Ausgewogenheit zwischen Beruf und Freizeit“ und „immer mehr zu lernen“ auf den Plätzen eins bis drei. Dass die Vereinbarkeit von Beruf und Freizeit einen Platz so weit vorne belegt hat, hat uns schon verwundert: Der Wunsch nach Work-Life spielt schon eine Rolle, bevor die „Arbeit“ so richtig ins eigene Leben eingetreten ist. Hier unterscheidet sich die Generation Z schon deutlich von meiner Generation, zumindest als wir ins Berufsleben eingetreten sind.

Azubi Recruiting Trends 2016

Der Ausbildungsberuf sollte zu den Interessen und Fähigkeiten der Bewerber passen, gute Zukunftschancen und Spaß an der Arbeit bieten. Sicher macht es Sinn, dass ein Ausbildungsberuf zu den Fähigkeiten des Bewerbers passt und so verwundert der erste Platz nicht. Aber oft erleben wir die Bewerber sehr orientierungslos. Woher weiß ich als junger Mensch, welche Fähigkeiten ich in Bezug auf einen Beruf mitbringe, da die im Beruf geforderten Fähigkeiten in der Schule ja oft gar nicht erfasst werden. Hier sind Angebote wie Orientierungstests oder Interessenschecks wie auf der Plattform blicksta sicherlich für die Jugendlichen sehr hilfreich und wichtig. Da sind in meinen Augen auch die Unternehmen noch mehr gefordert.

Bei der Wahl des Ausbildungsbetriebes sind es eher sehr pragmatische Motive, die auf den ersten Plätzen liegen. So belegen die „Nähe zum Wohnort“ und „mein Wunschausbildungsberuf wurde angeboten“ Platz eins und zwei gefolgt von der „Jobsicherheit“. Faktoren wie die „Bekanntheit des Unternehmens“ oder dessen „guter Ruf“ belegen nur hintere Plätze.

Auswahlverfahren: Ehrliches Feedback ist gefragt!

saatkorn.: Welche Tipps können Sie Unternehmen rund um das Themenfeld „Auswahlverfahren“ geben?
Schon in der 2015er Studie hat sich herauskristallisiert, dass es den Bewerbern ganz wichtig ist als ganzer Mensch und nicht nur als „Noteninhaber“ wahrgenommen zu werden. Das Testen von Persönlichkeit, das bisher in Deutschland deutlich weniger verbreitet ist als die Erfassung von Leistung, Wissen oder Intelligenz, bewerten die Bewerber sehr positiv. 84 Prozent der befragten Azubis und Schüler finden es „wichtig“ oder „sehr wichtig“, dass auch diese Aspekte getestet werden.

Weiterhin wünschen sich die Bewerber transparente, schnelle Verfahren und vor allem ein ehrliches Feedback. Ich glaube wir Unternehmen verstecken uns all zu gerne hinter dem AGG, um den Bewerbern kein ehrliches sondern ein standardisiertes und aussageloses Feedback zu geben. Aber wie soll ich als Bewerber Dinge ändern können, wenn ich nicht einmal weiß, was ich falsch gemacht habe?

An sich wünschen sich die Bewerber Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, es aber offensichtlich noch immer nicht sind, wie Nettigkeit, Begegnen auf Augenhöhe und Verständnis für die eigene Nervosität. Wir geben den Bewerbern immer die Möglichkeit, sich in Freitextfeldern zu äußern oder frei von der Seele weg zu schreiben. Aus diesen in unserer „Azubi-Wunschliste“ zusammengefassten Kommentaren können Unternehmen eine Menge für ein gutes Auswahlverfahren ableiten.

Digitale Transformation bei Ausbildern noch nicht angekommen

saatkorn.: Was sind für Sie persönlich die überraschendsten Ergebnisse der diesjährigen Studie, auch im Vergleich zu den Vorjahren?
Für mich persönlich die Einschätzung der Unternehmen zum Thema „Industrie 4.0“ und digitale Transformation sowie die zahlreichen sehr guten und reflektierten Ideen zur Integration von Geflüchteten seitens der Azubis, die in ihrer großen Mehrheit (75 %) Flüchtlinge nicht als Konkurrenten auf dem Arbeitsmarkt sehen. Wenn 67 % der Befragten Ausbilder sagen, dass das Thema „Industrie 4.0“ ihr Unternehmen nicht betrifft, dann kann ich mir das nur so erklären, dass es zu diesem Thema noch viel Aufklärungsbedarf gibt oder nicht sein kann, was nicht sein darf. Denn die Realität spiegelt dieses Ergebnis sicherlich nicht wider.

Sehr erfreulich und nicht selbstverständlich fand ich auch, dass die jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung entschieden haben, hinter diesem Konzept stehen und durchaus die Vorteile einer dualen Ausbildung gegenüber einem Studium wahrnehmen und zu schätzen wissen.

Unternehmen benötigen Azubi Marketing

saatkorn.: Was glauben Sie, wie wird sich die Situation für Arbeitgeber mittel- bis langfristig entwickeln? Was sind Ihre Handlungsempfehlungen für die Ausbildungsabteilungen?
Ich persönlich gehe davon aus, dass sich die Bewerbungslage auch in den nächsten Jahren weiter verschärfen wird. Auch wenn die Bundesregierung dem Trend der Höherqualifizierung entgegensteuern will, so dauert es erfahrungsgemäß, bis das in den Köpfen der Jugendlichen und Eltern angekommen ist.

Es ist schwer, generelle Handlungsempfehlungen zu geben. Aber ich glaube schon, dass Unternehmen ihre bisherigen Ansprüche und Anforderungen hinterfragen und statt der „Eilerlegenden Wollmilchsau“ hinterherzujagen mehr auf genaue Passung zum jeweiligen Anforderungsprofil des Ausbildungsberufs und zur Kultur des Ausbildungsbetriebs achten sollten. Ein gutes, auf die Bedürfnisse der Zielgruppe abgestimmtes Azubi-Marketing und Angebote zur besseren Orientierung können die Bewerbungssituation für Unternehmen die hier aktiv werden sicherlich verbessern. Gesellschaftspolitisch werden wir es uns einfach nicht mehr leisten können, dass nach wie vor noch immer rund 20 Prozent der Jugendlichen durch das berufliche Raster fallen – aber hier ist sicherlich auch die Politik gefragt.

saatkorn.: Frau Ullrich, herzlichen Dank für das Interview rund um die Azubi Recruiting Trends 2016!

 

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