rechtliche risiken beim einsatz von social media für employer branding – interview mit nina diercks

rechtliche risiken beim einsatz von social media für employer branding

ganz nagelneu und – durch gezielten, wertvollen hinweis 🙂 – drüber gestolpert: der „social media recht blog“ von nina diercks. spannend! denn mit diesem thema hat sich saatkorn. bislang noch nicht beschäftigt, obwohl viele unternehmen vermutlich deshalb nicht mit social media starten, weil sie unter anderem vor rechtlichen implikationen angst haben. um so interessanter, dass es in der wuchernden social media blog landschaft nun auch einen blog explizit zu diesem thema gibt. betrieben wird der blog von nina diercks, die inzwischen auf etliche jahre praxiserfahrung im umfeld von medien, jura und social media zurück blicken kann. grund genug, nina einmal etwas stärker auf den „social media recht zahn“ zu fühlen. los gehts:

saatkorn.: nina,  wie bist du darauf gekommen, den social media recht blog zu schreiben?

drei gründe haben mich zum schreiben des social media recht blog bewogen.

1. mein grundsätzliches interesse für die medien

ich habe mich schon früh grundsätzlich für medien, deren funktionen und die damit einhergehenden rechtlichen zusammenhänge interessiert. während meines kompletten studiums und auch danach habe ich in medienunternehmen mit hoher internet-affinität gearbeitet. in folge dessen war ich stets am puls der zeit der neuesten tatsächlichen entwicklungen, während ich zugleich medienrecht an der universität als schwerpunkt belegte. daneben begleite ich seit fast 10 jahren die geschäfte der mi4 gmbh und der cyquest gmbh (anmerkung des redakteurs: hallo jo!). zeitweise als studentische mitarbeiterin, zuletzt als justiziarin. in erster linie jedoch schlicht als ehefrau des geschäftsführers joachim diercks. und wenn beide partner mit den themen social media marketing und employer branding zu tun haben, dann bleiben abendliche diskussionen über diese thematik nicht aus. diskurse zwischen einem betriebswirt und einem juristen sind natürlich allein wegen der unterschiedlichen denkansätze spannend. uns geben sie jedenfalls stets neue ideen und blickwinkel zum thema :).

2. konkrete berufliche erfahrungen in bezug auf social media & recht

ausschlaggebend für den beginn des social media recht blog waren konkret meine letzten zwei jahre im referendariat sowie mein interims-management bei der bauer media group kurz zuvor. hier konnte ich „live und in farbe“ bei großen firmen miterleben, wie alle web 2.0 irgendwie machen wollen. jedoch verstehen auch gestandene „online-“ manager oft noch nicht, wie denn social media kommunikation funktioniert. dazu sind selbige erschreckender weise immer noch oft der meinung, das internet sei irgendwie ein rechtsfreier raum. da müsse nicht so darauf geachtet werden, dass bspw. anmelde-prozesse von web 2.0-applikationen tatsächlich den rechtlichen vorgaben entsprechen.

anders und ganz plakativ ausgedrückt: alle wollen social media machen. aber keiner weiß wie es tatsächlich und rechtlich funktioniert.

dazu ist es umgekehrt auch so, dass nur sehr wenige rechtsanwälte im bereich social media beraten können. denn es ist hier wie in jedem anderen bereich auch: kenne ich mich nicht mit dem produkt bzw. der dienstleistung aus, kann ich auch nicht effektiv rechtlich dazu beraten. und wenn schon nur sehr wenige marketing-/pr-/hr-manager social media wirklich verstanden haben und einsetzen können, kann man sich vorstellen, dass die anzahl der juristen, die hier tatsächlichen einen überblick haben, (noch) verschwindend gering ist.

3. die kommunikation zwischen juristen und medienmanagern

ich musste feststellen, dass meist schlicht ein kommunikationsproblem zwischen juristen und medien-managern die größte hürde stellt. die sprache, die beide jeweils sprechen, ist so unterschiedlich. der jurist ergeht sich oft sofort in juristischem klein-klein mit diesem und jenem problem, wobei auch noch das so-und-so urteil bedacht werden müsse. den social media manager interessiert das nicht. der möchte zwar auch wissen, wo seine rechtsprobleme liegen könnten. doch wichtiger ist ihm wahrscheinlich die überlegung, ob ein richtiger und an sich sinnvoller rechtlicher schritt nicht pr-technisch der super-gau sein könnte (man erinnere an die abmahnungen von jack wolfskin).  der jurist redet also in einer sprache, bei der der social media manager entnervt abwinkt, wenig versteht und sich denkt „ach, das passt schon“.

dieses kommunikationsgefälle möchte ich mit meinem blog ein wenig auflösen. mein blog soll kein juristisches fachmagazin für kollegen sein. sondern anschaulich für social media manager – gleich ob aus dem bereich employer branding, hr, pr oder marketing – die anstehenden rechtsprobleme aufzeigen.

saatkorn.: und wo siehst du in diesem kontext besonderen beratungsbedarf?

puuh. wo fange ich denn da an? zunächst halten wir uns mal ein paar konkrete beispiele vor augen:

ich habe zuvor schon die anmelde-prozesse für web 2.0 applikationen und deren mangelnde rechtskonformität erwähnt.

diese haltung ist insoweit aus zwei gründen nicht verständlich. zum einen sehen sowohl das datenschutzrecht als das wettbewerbsrecht empfindliche bußgelder bei ordnungswidrigkeiten, sprich der mangelnden einhaltung der vorgaben, vor. zum anderen möchte bestimmt kein manager den pr-gau „unternehmen xy verwendet unerlaubt personenbezogene daten zur werbung“ begradigen müssen. dennoch herrscht hier wild-west-manier. frei nach dem motto: „die mitbewerber mahnen uns schon nicht ab, die machen es ja genau so.“ vergessen wird jedoch, dass sowohl verbraucherschutzverbände als auch die datenschutzbehörden zunehmend auf den barrikaden stehen und beginnen, aktiv nach verstößen zu suchen. die stimmung in der bevölkerung ist bekanntermaßen auch nicht gut, wenn wieder ein datenskandal aufkommt. zu guter letzt wird eben auch noch nicht erkannt, dass sich ein solcher skandal pr-technisch aufgrund der viral-effekte kaum noch einfangen ließe. doch was hörte ich – auch in wirklich großen firmen – zu dem thema: „ach, ein paar spinner im internet gab es schon immer“. ah ja. as you like it.

es bedarf hier also zweierlei. einmal die rechtliche beratung bezüglich des anmeldeprozesses bzw. der applikation selbst. rechtlich ist das sehr komplex, da allein für die anmeldung u.a. regelungen des wettbewerbsrechts, des telemedienrecht und des datenschutzrechts beachtet werden müssen. in bezug auf die agb müssen  – je nach inhalt der applikation, bspw. bilder-upload oder foren – (haftungs-)regelungen zum urheberrecht, zum äußerungsrecht und zum jugendschutz enthalten sein. anmeldeprozess, datenschutzerklärung und agb müssen dazu aufeinander abgestimmt sein und sich inhaltlich entsprechen. von daher ist es hier auch nicht sehr ratsam, einfach bei einer anderen anwendung „abzuschreiben“. zu vielfältig sind funktionen und ziele der einzelnen applikationen einer website. noch komplexer wird es im übrigen, wenn die applikationen nicht auf der eigenen site, sondern auf fremden plattformen wie studivz oder facebook laufen. denn dann spielen evt. noch deren agb und datenschutzbestimmungen eine rolle.

zum anderen müssen hier viele firmen einfach für den fakt sensibilisiert werden, dass sie im zweifel ein echtes – nämlich marketing- und pr- – problem haben, wenn sie die rechtlichen vorgaben nicht beachten und genau das ein thema wird.

des weiteren kommt gerade ein thema auf, dass an sich vor zehn jahren schon einmal mit domains durchlebt wurde. social media accounts und markenrecht: employer branding oder sonstige unternehmenskommunikation soll über ein facebook- und twitterprofil erfolgen. da werden ideen skizziert, präsentationen entworfen, vorgaben der unternehmenskommunikation erfüllt, die zweite führungsebene nickt ab, die erste führungsebene nickt ab – und die accounts sind schon lange in der hand von dritten. was also tun? wer sich dafür interessiert, darf sich einen ersten überblick dazu gerne in meinem blog verschaffen. 🙂

ein weiteres relevantes thema ist sem und seo. welche begriffe darf ich einsetzen? ab wann treten markenrechts- oder wettbewerbsrechtliche probleme auf?

ganz abstrakt gesprochen, gibt es einen sehr breiten und vielfältigen beratungsbedarf in bezug auf das wettbewerbs-, urheber-, marken-, telemedien-, äußerungs-, domain-, namens- und letztlich das allgemeine zivil- und zivilprozessrecht. denn social media recht gibt es genauso wenig wie internetrecht. es tangiert alle genannten rechtsbereiche in bestimmten ausschnitten und vor bestimmten hintergründen. das macht die beratung eben auch so schwierig, wenn man das system social media nicht wirklich versteht.

saatkorn.: welchen stellenwert hat deiner meinung nach social media für employer branding?

einen sehr hohen. es ist mittlerweile beinahe jeder personalabteilung klar, dass sie in kürze aufgrund der demografischen entwicklung ein handfestes problem bei der gewinnung von fach- und führungskräften haben wird. und ich glaube, dass ein dem entgegensteuerndes employer branding ohne den einsatz von social media künftig nicht erfolgreich sein wird. die leute wollen keine glatte unternehmenspräsentation mehr sehen. sie wollen tiefe einblicke in und möglichst interaktion mit der arbeitsweise und philosophie der unternehmen, bevor sie sich bewerben. da helfen web-applikationen zur selbst-auswahl (self-assessments) sowie bspw. video-rundgänge, bei denen man am besten mit den mitarbeitern direkt noch mal in kontakt treten kann, immens. bekannt werden aber solche social media-angebote wiederum nur durch den einsatz von weiteren social media-angeboten wie facebook und twitter. im besten fall tritt der viral-effekt bei genau der gewünschten zielgruppe ein. ehrlich gesagt, ich kann mir derzeit keinen wirklichen „ersatz“ für den einsatz von social media im employer branding vorstellen. plakate in großstädten? anzeigen im zeitschriften? ja. flankierend. mit verweis auf die web-applikationen oder facebook-angebote. oh, ich glaube ich bin einfach schon zu sehr digital native….

saatkorn.: wie wird sich das noch recht junge thema „social media für employer branding“ deiner meinung nach entwickeln?

meiner meinung nach wird es schon aus den eben genannten gründen das thema werden. dies aber nicht nur für großunternehmen, sondern auch für die typisch deutschen mittelständler, die keiner kennt, die aber zeitgleich weltmarktführer bspw. für xyz-verbundstoffe sind und millionen-umsätze erwirtschaften. gerade diese sind darauf angewiesen, sich als bekannte arbeitgebermarke im markt zu präsentieren. zum einen um die entsprechenden spezialisten überhaupt auf sich aufmerksam zu machen. zum anderen, um die attraktivität der firma zu verdeutlichen,  auch wenn sie versteckt in der deutschen provinz liegt. für großunternehmen liegt meines erachtens der reiz darin, sich konkreter als bisher als arbeitgebermarke zu präsentieren. eben nicht im hinblick auf das produkt oder die dienstleistung, die bei einem großunternehmen in der regel bekannt sind, sondern in bezug auf die „soft skills“ des arbeitgebers. ergo work-life-balance, fortbildungsmöglichkeiten, aufstiegschancen, unternehmensphilosophie etc.

und wenn man eben davon ausgeht, dass künftig mehr firmen aktives eb betreiben, dann besteht wohl der zwingende schluss, dass die entsprechenden social media kampagnen noch viel strategischer und zielführender als bisher angegangen werden müssen. ein bisschen schnoddrig daher gesagt: derzeit reicht es ja schon, ein unternehmensvideo auf die website und bei facebook zu stellen, um zu sagen „wir machen innovatives employer branding“. ich bin sehr gespannt auf die entwicklungen und ideen der nächsten jahre.

sicher werden die mitarbeiter zunehmend über social media die arbeitgeber-marken prägen und dem gemäß wird ein „social media controlling“ vermutlich künftig eine job-description sein. ein weiteres wichtiges – rechtliches – stichwort sind hier „social-media-guidelines“ für mitarbeiter.

 

saatkorn.: und gibt es überhaupt in der rechtsprechung schon konkrete social media/employer branding „fälle“?

social media fälle gibt es viele. sie tragen bloß nicht diese überschrift. im bereich sem war kürzlich einer vor dem eugh in bezug darauf, ob die nennung eines konkurrenten in der google adwords kampagne eine markenrechtsverletzung darstellt. gängig sind fälle urheberrechtlicher oder persönlichkeitsrechtlicher natur in foren oder in bezug auf eingestellte videos. weiter ist natürlich google immer wieder in der presse. nicht nur wegen streetview und datenschutz, sondern bspw. auch wegen der thumbnail-bildersucher und damit mit dem urheberrecht.

akut fallen mir keine schon bestehenden employer-branding social-media-fälle in der rechtsprechung ein.  ich denke aber, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis der erste rechtsstreit um einen social media account aus gründen des klaren employer brandings geführt werden wird. ferner gibt es in bezug auf eb aber beispiel ein problem, dass sicher auch mal vor gericht landen kann: im falle des drehs eines unternehmensvideos mit mitarbeitern, ist die frage, ob alle notwendigen rechte der protagonisten eingeholt worden sind, sehr relevant. ansonsten könnte ein arbeitnehmer am ende die verbreitung via youtube untersagen, obwohl der viral-effekt der maßgebliche sinn der kampagne sein sollte…. (alles schon gesehen!).

saatkorn.: was ist dein ziel? – bietest du als gelernte juristin über den blog hinaus auch konkrete dienstleistungen für die unterstützung von unternehmen im kontext social media und recht an?

ich würde mich freuen, wenn ich über meinen blog ein wenig zur meinungsbildung hinsichtlich der thematik social media & recht beitragen kann. insbesondere würde ich mich freuen, wenn den lesern durch meinen blog das recht nicht mehr zwingend als verqueres buch mit sieben siegeln vorkommt – auch wenn es im einzelfall durchaus komplex ist und auch ich mir bei so mancher gesetzgebung die haare rauft, was das jetzt soll.

der blog ist zwar in erster linie privater natur, d.h., er entsteht aus eigenem antrieb und nicht weil mein arbeitgeber, die kanzlei rasch, mich dazu aufgefordert hätte. dort werde ich mich auch vorwiegend mit urheberrechtsverletzungen im internet beschäftigen. aber wenn jemand von mir konkrete rechtsberatung erhalten möchte, dann freue ich mich natürlich sehr über eine entsprechende mandatierung. ab dem 01. august bin ich in der kanzlei rasch in hamburg auch für diese themen zu erreichen. vorbehaltlich einer interessenskollision wird das mandat von mir dann sehr gerne dort übernommen.

saatkorn.: nina, vielen dank für das spannende interview und viel erfolg mit deinen plänen!

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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

16 Gedanken zu „rechtliche risiken beim einsatz von social media für employer branding – interview mit nina diercks

    • 26. Juli 2010 um 17:20
      Permalink

      jaja, die üblichen verdächtigen. bin gespannt, was jo’s und nina’s tochter mal wird…

      Antwort

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