Nachgefragt: Inflation von Zeugnisnoten

Heute wieder einmal eine Frage von Prof. Dr. Christoph Beck. Auf geht’s:

Inflation von Zeugnisnoten: Wie aussagekräftig sind eigentlich Zeugnisse?

Barbara Kuchler und Stefan Kühl gaben in der Zeit (22. November 2012, DIE ZEIT Nr.48/2012) ihrem Artikel die Überschrift: „Note Drei? Ist wie Note Sechs – Ein inoffizieller Nichtangriffspakt sorgt dafür, dass Studenten immer besser bewertet werden“. Der Hintergrund und damit der Stein des Anstoßes für ihren Bericht war das Ergebnis einer Studie des Wissenschaftsrates, wonach gut 80% der Studierenden mit der Note „gut“ oder „sehr gut“ ihr Studium abschließen. Gleichzeitig ist jedoch das Risiko, die schlechteste Note „ausreichend“ zu kassieren, auf 1,1% gesunken.

Zwei Jahre später schreibt Sebastian Christ in der Huffington Post (20/06/2014), dass es in Deutschland noch nie so einfach war ein Einser-Abi zu bekommen wie heute und er meint das Jahr 2012. Demnach schafften in Nordrhein-Westfalen 1.160 Schüler den bestmöglichen Abi-Schnitt (1,0), d.h. dreimal so viele wie noch 2005 und in Bayern verdoppelte sich die Zahl der Einserabiturienten und in Berlin machten sogar siebenmal so viele Schüler ein Spitzenabitur.

Auch die Welt berichtete über die Entwicklung von Abiturnoten und unterlegte den Artikel mit folgender Grafik:

Entwicklung von Abiturnoten: 2012 versus 2005, Quelle Die Welt.
Entwicklung von Abiturnoten: 2012 versus 2005, Quelle Die Welt.

 

Nachgefragt: Eine gewisse Inflation von Zeugnisnoten lässt sich anhand der vorgelegten Zahlen nicht leugnen. Dass mehr Schüler und mehr Studierende bessere Noten bekommen als ggf. früher, mag den ein oder anderen in seiner Eitelkeit verletzen, er oder sie es als ungerecht empfinden u.v.m. Die wirkliche Tragik hierbei ist jedoch, dass das, was ein Notensystem ursprünglich leisten soll, nämlich eine Differenzierung sicherzustellen, dann irgendwann oder bereits heute nicht mehr funktioniert. Es bleibt die Frage an Deutschlands Personaler: Wie und womit differenzierst Du heute und in Zukunft?

Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

Ein Gedanke zu „Nachgefragt: Inflation von Zeugnisnoten

  • 13. März 2016 um 12:57
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    Leistungsbeurteilungen sind auch immer subjektiv, auch bei Zeugnissen in der Schule. Denn Akademikerkinder werden besser beurteilt, machen öfters Abitur, studieren viel öfters, aber nach der Normalverteilung der Intelligenz stimmt das nicht.
    Dieses Verhaltensmuster scheint sich im Studium, in Arbeitszeugnissen fortzusetzen. Zudem wer gute Noten, schön aussieht oder einmal was Besonderes geleistet, der wird selten schlecht beurteilt – ein Beharrung des Systems im Zustand.
    Es scheint daher dringend erforderlich die Beurteilungssysteme mehr auf meßbare Größen und Relationen zu beziehen, die weniger manipulierbar, damit subjektive, beziehungsmäßige Einflussfaktoren geringer werden.
    Und: Jeder Beurteiler wie die Beurteilten sollten wissen, dass es egal ist ob Abitur, Studienabschluss oder Arbeitszeugnisse, dass, wenn diese sich nicht um sachliche Information und gerechte Urteile – soweit es machbar ist, sich bemühen werden diese gutgemeinten Absichten auf Dauer nach hinten los gehen.

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