eassessments…interview mit jo diercks von cyquest

eassessments…interview mit jo diercks von cyquest

joachim diercks ist geschäftsführer der cyquest gmbh. unter dem oberbegriff recrutainment entwickelt cyquest lösungen aus den bereichen eassessment, selfassessment, online-employer branding und e-recruiting, die häufig in einen unterhaltsamen bzw. spielerisch-simulativen kontext eingebunden sind. dem studium der betriebswirtschaft mit den schwerpunkten marketing, intl. management, personal und wirtschaftsenglisch an den universitäten hamburg und berkeley folgte 1998 der berufseinstieg als marketing analyst für bertelsmann in london. 1999 gründete gemeinsam mit drei partnern die mi4 – marketing intelligence four gmbh. aus der mi4 ging anfang 2000 cyquest hervor, deren geschäfte er neben denen bei mi4 heute führt. diercks ist autor einer reihe von fachartikeln zu verschiedenen erecruiting-themen sowie regelmäßiger referent bei fachkongressen.

saatkorn.: was ist eigentlich unter selfassessment oder eassessment zu verstehen?
man muss in der tat zwischen eassessments und selfassessments unterscheiden.
eassessment verfahren sind eignungsdiagnostische testverfahren, die von unternehmen zur abschätzung der beruflichen eignung oder passung eines bewerbers im rahmen der personalauswahl, genauer gesagt personalvorauswahl, eingesetzt werden und die über das internet durchgeführt werden. die testteilnehmer sind dabei in der regel namentlich bekannt und die testergebnisse fließen in die vorauswahlentscheidung des unternehmens ein.
unter selfassessment verfahren werden hingegen webbasierte übungen verstanden, die berufstypische situationen in form von selbsttests abbilden und so für den teilnehmer „erlebbar“ machen. die qualität der bearbeitung wird automatisch ermittelt. das bearbeitungsergebnis wird hierbei einzig und allein dem teilnehmer gezeigt und dient ganz klar der verbesserung der selbstauswahl. die teilnahme ist freiwillig, in der regel anonym oder zumindest pseudonym und das unternehmen kann das abschneiden einer person nicht einsehen.
auch wenn es also definitorische unterschiede gibt, ist es uns immer ganz wichtig zu unterstreichen, dass sowohl selbstauswahl als auch fremdauswahl jeweils dem bereich der „personalauswahl“ zuzurechnen sind, weil beide aspekte – richtig gemacht wohlgemerkt – die trefferquote positiv beeinflussen. insbesondere die kraft der selbstauswahl wird oft unterschätzt bei der beantwortung der frage, was eine auswahlentscheidung eigentlich „gut“ macht… und manchmal sind die übergänge auch fließend, etwa wenn unternehmen sowohl für interessenten frei zugängliche selbsttests zur orientierung anbieten als auch nachgelagert dann geschlossene „wirkliche“ testräume für bewerber, also eassessments, vorsehen.

saatkorn.: was sind grundvoraussetzungen für die umsetzung solcher verfahren für unternehmen?
bei selfassessments steht ganz oft die aufgabenstellung am anfang, etwas nicht per se selbsterklärendes transparenter zu machen. wer kann schon wirklich – ich meine vorurteilsfrei – sagen, was das berufsbild „beamter im allgemeinen verwaltungsdienst“ eigentlich beinhaltet? selfassessments machen dies erlebbar. oder wer weiß schon, was für tätigkeiten, aufgaben und werte sich hinter unternehmensnamen wie bertelsmann oder tchibo verbergen, nur weil man vielleicht den markennamen schon mal gehört hat? und wer kann dann auch noch beurteilen, ob diese unternehmen und tätigkeiten vielleicht zu einem selber passen? auch hier setzen selfassessments an und verbessern die selbstauswahlfähigkeit. von daher kann man bei selfassessments als einzige nötige voraussetzung wohl „aufklärungs- und kommunikationsbedarf“ nennen und das dürfte wohl für nahezu alle unternehmen, einrichtungen oder hochschulen gelten.
bei eassessment verfahren steht oftmals ein gewisses mengenproblem am anfang. die unternehmen bekommen im bereich absolventen z.t. das zwei- bis vierhundertfache an bewerbungen in relation zur anzahl zu besetzender stellen. im azubibereich ist das verhältnis zwar in der regel nicht so krass, dafür liegen aber die absoluten zahlen oft noch deutlich höher (commerzbank bspw. knapp 30.000 pro jahr). anhand der bewerbungen bzw. der darin enthaltenen biografischen informationen fällt es oft schwer, die anzahl so weit zu reduzieren, dass anschließend schon die teuren face-to-face auswahlinstrumente eingesetzt werden können. eassessment verfahren helfen den unternehmen dabei, die großen bewerbungszahlen auf ein vertretbares maß zu reduzieren, weil so neben lebenslaufdaten eben auch für alle vergleichbare leistungsmerkmale mit zur vorauswahl herangezogen werden können.
aber zu denken, dass eassessment nur etwas „für die großen“ ist, ist falsch. eassessment verfahren liefern per definition ein „objektives“ beurteilungskriterium und dies ist immer dort hilfreich, wo andere beurteilungskriterien einfach nicht genügend unterscheidbarkeit hergeben oder wo sich bewerberdaten gar nicht so recht miteinander vergleichen lassen, z.b. wenn bewerber aus unterschiedlichen kulturräumen oder bildungssystemen verglichen werden sollen. wir haben durchaus einige mittelständische kunden, die nur einige dutzend tests pro jahr durchführen und für die sich der einsatz von eassessments durch die verbesserung der auswahlqualität trotzdem absolut lohnt. hier kann ich nur mal einen blick in den case der biesterfeld ag, einem sehr erfolgreichen, wirklich absolut typischen mittelständler, empfehlen.

saatkorn.: wo liegen die vorteile für unternehmen gegenüber realen, also nicht virtuellen assessments?
für unternehmen liegt der vorteil des einsatzes von eassessments natürlich erstmal in einem effizienzgewinn. eassessments setzen hier die logik der online-bewerbung an sich fort, weil auch hier die gleichen vorteile wirken: digitaler workflow, datenbankgestützte selektionsmöglichkeiten, 24/7 verfügbarkeit usw. eassessments erweitern nur die möglichkeiten der selektion, indem eben nicht mehr nur biografische bewerbermerkmale in die vorauswahl einbezogen werden können, sondern darüber hinaus auch eigenschafts- und verhaltensmerkmale. diese konnten früher nur in face-to-face-prozessen ermittelt werden. unilever etwa spart bei der traineevorselektion durch das eassessment „unique.st“ allein in deutschland jährlich rund 80.000 € an reisekosten.
aber eassessment wirkt auch qualitativ mit umso größerer monetärer wirkung. unser kunde citibank – demnächst targobank – berichtet, dass seit dem einsatz des eassessments bei 10 zum finalen assessment center eingeladenen kandidaten durchschnittlich 4 einen ausbildungsvertrag angeboten bekommen. vorher waren es durchschnittlich nur 2. das heißt wiederum bei gleicher anzahl zu besetzender stellen, dass man sich die hälfte der durchzuführenden acs sparen kann, mit gleichem output. bei mehreren tausend euro kosten pro ac ist das am langen ende richtig geld…
schließlich geht auch von eassessments ein imagegewinn aus. diese sind nicht nur modern und – entsprechend gestaltet – auch informativ, sondern sie bieten ja auch dem bewerber einen echten nutzen, weil die teilnahme bequem und erheblich stressreduziert selbstbestimmt am eigenen pc erfolgen kann.

saatkorn.: gibt es auch vorteile für die kandidaten bzw. teilnehmer?
wie gesagt bieten eassessments für den kandidaten zunächst einmal einen enormen bequemlichkeitsgewinn. oft finden bewerbungen ja in nicht wenig stressigen phasen zum beispiel am ende des studiums statt, wo die kandidaten z.b. gerade mitten in ihren abschlussarbeiten stecken. hier ist es dann schon sehr angenehm, wenn man den test bequem online durchführen kann und dabei sowohl uhrzeit als auch umfeld usw. nach der eigenen konstitution ausrichten kann. man weiß auch, dass eine „entstresste“ situation kandidaten in den tests dichter an ihr leistungspotenzial herankommen lässt. wenn die eassessments zudem nicht als reine „aneinanderreihung von testformularen“ daherkommen, sondern – wie bei uns eigentlich immer – ansprechend gestaltet sind und parallel zur testung auch informative oder unterhaltsame elemente umfassen, dann dienen diese durchaus dazu, dass sich der kandidat mehr unter dem unternehmen vorstellen kann.

saatkorn.: was sind state of the art lösungen in diesem kontext? – gibt es bestimmte business cases, die besonders interessant sind?
da sind auf jeden fall unternehmen zu nennen, die mustergültig employer branding und selfassessment auf der einen seite und eassessment auf der anderen seite kombinieren, also wie oben beschrieben sowohl state-of-the-art selbstauswahl als auch fremdauswahl einsetzen. hier fallen mir z.b. tchibo, unilever, gruner+jahr, citibank/targobank, commerzbank, bertelsmann, lufthansa oder auch – um ein mittelständisches unternehmen zu nennen – die oben genannte biesterfeld ag ein.

videobeispiel biesterfeld ag:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=T6adh4jHN8M]

videobeispiel commerzbank „probier dich aus“: siehe letzten saatkorn. beitrag „employer branding für schüler“

videobeispiel bertelsmann ag:
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=tjUOBtRYWn8]

in diesem kontext sollte man aber auch hochschulen erwähnen, die – und das ist für manche personaler tatsächlich etwas neues – inzwischen ebenso eine branding- und auswahlproblematik bei der „rekrutierung“ ihrer studierenden haben wie viele unternehmen. auch hier werden zunehmend kombinationen aus markenbildung, informationsangeboten und selfassessments eingesetzt. vorreiter sind hier z.b. die haw hamburg, die uni freiburg oder die hochschule niederrhein.

saatkorn.: wie wird sich das thema eassessment deiner meinung nach in den nächsten 5 jahren angesichts der demographischen und technischen veränderungen entwickeln?
man muss ja kein prophet sein, um zu erkennen, dass das thema in den kommenden jahren zunehmend „war for talent“ heißen wird. nur mal ein beispiel: die anzahl der 18- und 19-jährigen, also der klassische „abiturient“, wird sich in deutschland in den kommenden 10 jahren um mehr als 17% oder in absoluten zahlen um mehr als 300.000 verringern. sollte jedem, der mit azubimarketing zu tun oder duale studiengänge konzipiert, zu denken geben. bezogen auf alle formen des employer brandings bedeutet dies, dass das gedrängel um die „guten“ noch deutlich zunehmen wird. selfassessment verfahren bieten eine sehr gute möglichkeit, um teilweise von außen schwer zu beurteilende sachverhalte wie berufsbilder oder unternehmenskultur transparent zu machen und werden von der zielgruppe als echter service gewertet. eassessment verfahren helfen unternehmen dabei, schnell die „guten“ oder „passenden“ zu identifizieren. dieser geschwindigkeitsvorteil kann entscheidend sein. sind sie dann auch attraktiv gemacht – also keine langweiligen „tests“, sondern spannende, erlebbare und informative simulationen – wirken sie zudem als marketinginstrument. es gibt ja immer noch eignungsdiagnostiker, die behaupten, dass – ich zitiere – „alles, was spielerische komponenten beinhaltet, unfug ist“. ich kann dem nur entgegenhalten, dass jedes unternehmen, jede hochschule oder wer auch immer die knapper werdende zielgruppe erreichen will, zukünftig sehr gut beraten ist, bei der gestaltung aller phasen der bewerberansprache oder –auswahl immer auch in marketingdimensionen zu denken. nur vom kandidaten zu „nehmen“, wie dies bei klassischen tests der fall ist, wird nicht mehr funktionieren. wenn man dies beachtet, dann entpuppt sich auch die behauptung, dass tests per se „abschreckend wirken“, als märchen – im gegenteil.
in technischer hinsicht werden sich online-assessments natürlich auch weiter entwickeln. wir werden auch hier den einsatz videobasierter testformen sowie analog zu übungen im assessment center gruppentestungen, rollenspiele usw. sehen. freitextantworten werden irgendwann zu vertretbarem aufwand bewertet werden können. und natürlich werden auch online-assessments sich dorthin bewegen, wo die zielgruppe ist – online-test auf xing oder facebook? warum nicht? im selfassessment bereich sind viele dieser entwicklungen ja schon zu sehen. da bei der gestaltung von wirklichen eassessments aus gründen der testfairness aber immer von der schlechtesten gerade noch anzunehmenden internetanbindung und hardwareausstattung ausgegangen werden muss, vollziehen sich alle diese entwicklungen dort mit zeitversatz.

saatkorn.: wo siehst du den besonderen nutzen im kontext employer branding?
nun, employer branding ist ja keine „disziplin“, die von anderen aktivitäten losgelöst betrachtet werden kann. so frei nach dem motto: „employer branding – das ist die werbung da draußen. das hat aber nichts mit unserem auswahlprozess zu tun…“.
nach meinem dafürhalten muss alles, jeder faktische oder potentielle berührungspunkt mit der zielgruppe stringent und authentisch nach der employer brand ausgerichtet sein. man kann nicht nicht employer branding machen!
selfassessment verfahren sind per definition employer branding, weil darüber wesentliche markenrelevante aspekte transportiert werden, z.b. inhalte von berufsbildern und anforderungen, aber auch unternehmenskulturelle aspekte, werte, dresscodes oder dinge wie diversity oder work-life-balance. deswegen geht es hier auch nicht so sehr um den kanal, sondern um den inhalt.
eassessment verfahren sind zwar in erster linie instrumente der testung, aber auch hier muss m.e. darauf geachtet werden, dass parallel die employer brand transportiert wird. man muss sich ja vor augen führen, dass der testkandidat hochinvolviert vor dem monitor sitzt. diese wunderbare gelegenheit wichtige markenbotschaften zu transportieren sollte man sich doch nicht entgehen lassen. dann „nehmen“ eassessments nicht nur testergebnisse, sondern „geben“ auch informationen, was sich als enorm akzeptanzfördernd herausgestellt hat. wir haben vor einiger zeit mal eine rückmeldung eines testkandidaten bekommen, der an dem von cyquest für unilever gestalteten eassessment “unique.st” teilgenommen hat und dessen einschätzung doch sehr viel licht in die frage bringt, ob hier der köder nur dem angler oder doch – wie beabsichtigt – auch und insbesondere dem fisch schmeckt. die rückmeldung lautet im originalwortlaut wie folgt:
„das programm finde ich übrigens sonst wirklich sehr gelungen. es lässt die sonst eher nervigen fähigkeitstests angenehmer erscheinen und trägt m.e. auch zu einer guten präsentation der firma unilever bei. ich denke, es ist auch ein recht geschicktes recruiting-instrument. die ganzen infos über das unternehmen, die man sich sonst evtl. nicht unbedingt einholt, bekommt man hier praktisch unterbewusst mit. mir fällt da gerade das beispiel mit dem text ein, den man mit best. aussagen vergleichen muss („unilever bietet betriebliche weiterbildung, karrierecoaching“ usw.).“

saatkorn.: und inwiefern spielt social media eine rolle für eassessments?
bei den eher von kommunikations- und marketingerwägungen getriebenen selfassessments wird es nicht mehr lange dauern und man wird die ersten applikationen sehen, die nicht mehr als standalone-applikation oder bestandteil der karriere-website angelegt sind, sondern die direkt auf den social media plattformen laufen. warum nicht ein selfassessment-/realistic job preview verfahren als facebook app?
bei eassessments, also wirklichen auswahltests, ist der weg etwas weiter. aber wir sehen ja auch hier die ersten ansätze, direkte bewerbungsmöglichkeiten z.b. über facebook zu schaffen. mir fallen da z.b. die apps „jobstriker“ oder „jobs for friends“ ein. zumindest gedanklich ist damit auch der weg zum etesting in social media eingeschlagen. perspektivisch ergibt sich daraus eine auch eignungsdiagnostisch sehr interessante perspektive, nämlich nicht nur einzeltestungen durchzuführen, sondern auch klassische ac übungen wie gruppendiskussion, teamarbeiten usw. einzubeziehen.

saatkorn.: jo, ganz herzlichen dank für das interview und weiterhin viel erfolg mit cyquest!

weiterlesen:
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Gero Hesse

Ich bin Gero Hesse, Macher, Berater und Blogger in den Themenfeldern Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, Social Media und New Work. Mehr Infos über Gero Hesse.

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